Thema des Monats

Kinder backen für ihre Gesundheit

Ernährung, Bewegung, Hygiene, Medienkonsum, Suchtprävention und psychische Gesundheit: Morten Lavin verankert wichtige Themen gesundheitlicher Prävention im Unterricht von Bremer Grundschulen. Christian Beneker (Text) und Tristan Vankann (Fotos) haben den Gesundheitswissenschaftler beim Backen mit Zweitklässlern begleitet.

Wer will guten Kuchen backen, der muss haben sieben Sachen: Eier und Schmalz, Zucker und Salz, Milch und Mehl, Safran macht den Kuchen gehl! In der Küche der Bremer Grundschule an der Robinsbalje geht es heute rund. Es wird gebacken. Draußen ist es an diesem Winter­tag vor Weihnachten gerade hell geworden. 18 ungeduldige Zweitklässler stehen um einen langen Arbeitstisch herum. Leise brummt der Ofen. Am Ende der Backstunde werden 80 frische Brötchen duftend in zwei Körben liegen.

Modellprojekt geht in den Regelbetrieb.

„Guten Morgen, Kinder!“, sagt Morten Lavin. „Guuteenmoorgenheerlaviiin!“, sagen die Mädchen und Jungen. Lavin arbeitet in der Grundschule als Gesundheitsfachkraft. Das gibt es mit diesem Aufgabenspektrum in ganz Deutschland nur in Bremen. Er ist ein großer Typ, 30 Jahre alt, mit dunklem Bart und Erklär-Bär-Bariton. Seit Juni 2021 ist er hier mit 50-prozentigem Stellenanteil an der Grundschule Robinsbalje in Bremen-Huchting und mit der anderen Hälfte seiner Zeit an einer Grundschule in Bremen-Woltmershausen. „Ich hätte nie gedacht, dass ich mal in einer Schule lande“, sagt Lavin. „Die Arbeit macht mir richtig Spaß!“

Der Gesundheitswissenschaftler ist Teil des 2018 als Modell gestarteten Bremer Projekts „Gesundheitsfachkräfte an Schulen“ (GefaS). Inzwischen arbeiten die GefaS im Regelbetrieb. Lavin soll mit seinen Unterrichtseinheiten wichtige Themen gesundheitlicher Prävention im Unterrichtsgeschehen von Bremer Grundschulen verankern. Und zwar in „Schulen, die vor besonderen sozialen Herausforderungen stehen“, wie es im Abschlussbericht des Modellprojektes heißt. Es dreht sich um Ernährung, Bewegung, Hygiene, Medienkonsum, Suchtprävention und psychische Gesundheit. „Natürlich gibt es auch im Sportunterricht Bewegung, und das Thema Medienkonsum wird auch mal im Deutschunterricht angesprochen. Aber diese Themen werden erst durch uns Fachkräfte in den Zusammenhang von Gesundheit und Prävention gestellt“, erklärt Lavin.

Übers Frühstück reden.

Die Kinder in der Schulküche hüpfen und zappeln, schließlich ist heute Backtag. Haben alle ihre Schürze um? Haben alle die Utensilien, die sie brauchen für die Brötchen? Mehl und Backpulver, ein Ei und Quark, Messer, eine große Schüssel natürlich und eine Schablone für die Brötchen? „Und womit geht das Backen los?“, fragt Lavin. Mit dem Ärmelaufkrempeln! 40 Hände arbeiten sich an Hemd- und Pulliärmeln nach oben. „Und was kommt jetzt?“ fragt Lavin die hibbeligen Bäckerinnen und Bäcker. „Jetzt kommt Händewaschen“, rufen sie und springen zum Waschbecken.

Mit so viel Bewegung geht es aber nicht immer zu. In die erste Klasse bringt Lavin immer ein Problemfrühstück mit: Apfel und Käsebrot plus Schokoriegel und Cola. Was ist gesund und was ungesund? „Da kommen wir schnell ins Gespräch über das, was sie morgens so auf dem Frühstücksteller haben, und dann wird klar, dass so viel Zucker gar nicht gesund ist“, berichtet Lavin. Auch mit den selbstgebackenen Brötchen lernen die Kinder, was gut tut und was nicht. Die Unterrichtseinheiten sollen die Gesundheitskompetenz und Gesundheitsressourcen der Schülerinnen und Schüler fördern – und die ihrer Eltern. „Denn wir wissen ja: Am Ende entscheiden die Eltern, was zu Hause gefrühstückt und gekocht wird.“ Das Projekt war so erfolgreich, dass es Ende 2021 verstetigt wurde. Inzwischen arbeiten 15 Gesundheitsfachkräfte an 23 Grundschulen im Land Bremen. Lavin ist einer von zwei Männern im Team.

Eingangsuntersuchungen belegen Probleme.

Beim Backtag mit der zweiten Klasse ist er nicht der einzige Erwachsene. Insgesamt vier Erziehungskräfte betreuen die Kinder: Morten Lavin und Klassenlehrer Christian Schön sowie Irina Nehrenberg und Susanne Dohle als Schulbegleiterinnen. Lehrer Schön – Turnschuhe, Jeans, roter Wollpulli – entfaltet ein Leporello mit den verschiedenen Aufgaben für die Doppelstunde an Herd und Ofen. „Hört mal her“, ruft er in die Klasse. „Asmin und Gulnaz gehen Einkaufen, Abwiegen gehen Mohammad und Yana, den Abwasch machen Emilie und Mohammad Taha. Ilya und Arin machen den Tisch sauber, Schürzenkontrolle haben Alex und Aisha. Alles klar?“ Alles klar.

Im Jahr 2017 hatten die Behörden anhand der Schuleingangsuntersuchungen festgestellt, dass es mit der Gesundheit von Kindern in den strukturell benachteiligten Vierteln Bremens nicht zum Besten steht. Vor allem Jungen zeigten vergleichsweise schlechte Werte. Das ergaben die Untersuchungen der Jahre 2016 und 2017. Laut Bericht hatte damals gut ein Viertel der untersuchten Kinder schulrelevante Vorerkrankungen, wie zum Beispiel Asthma. Elf Prozent der Kinder waren adipös. Dieser Schnitt liegt zwar seit zehn Jahren etwa auf dem gleichen Niveau, nicht nur in Bremen. Aber bei Kindern aus einem strukturell besonders benachteiligten Ortsteil, wie zum Beispiel Huchting, traten Übergewicht oder Adipositas dreieinhalb mal häufiger auf als bei Kindern, die in einem der am wenigsten belasteten Ortsteilen Bremens wohnten. Vor allem viele Jungen (31 Prozent) litten unter relevanten Vorerkrankungen, heißt es in dem Bericht über die Eingangsuntersuchungen. Bei Mädchen lag dieser Anteil nur bei 20,6 Prozent. Auch bei der „Visuomotorik“, etwa bei der fürs Schreiben wichtigen Hand-Auge-Koordination, gab es Auffälligkeiten: Für 11,3 Prozent der Kinder ergab sich ein grenzwertiger und für 2,5 Prozent ein auffälliger Befund, so der Bericht. Auch hier fanden sich bei Jungen doppelt so hohe Werte wie bei Mädchen (16,7 Prozent versus 7,9 Prozent). Etwa 37 Prozent der Kinder zeigten einen auffälligen Sprach- und Sprechbefund. Bei 3,8 Prozent der Kinder wurde den Eltern zu einer Rückstellung vom Schulbesuch geraten, steht im Bericht.

Unterstützung für Kinder mit Förderbedarf.

In der Bäckerei geht es unterdessen zur Sache. Jetzt kommt der Quark in die Schüssel und dann das Mehl. „Tun wir alles auf einmal rein?“ fragt Lavin. „Neiiiiin!“ rufen die Kinder empört und stolz darauf, wie gut sie schon Bescheid wissen. „Immer nur ein bisschen …!“ Inzwischen ist es in der Schulküche warm geworden durch den Ofen, das Neonlicht, die vibrierende Energie der Zweitklässler.

„Die Arbeit macht mir richtig Spaß“, sagt Morten Lavin. In seinen Unterrichtseinheiten setzt er eigene Ideen um.

Die beiden Schulbegleiterinnen kümmern sich in der Einzelbetreuung um Kinder mit besonderem Bedarf. Es sind zwei autistische Kinder in der Klasse. Sie werden zusammen mit allen anderen Kindern unterrichtet – „Wahrnehmungs- und Entwicklungsförderung“, wie das Konzept im Pädagogen-Jargon heißt. „Die Kinder mit Förderbedarf brauchen eben eine andere Unterstützung zum Lernen“, erläutert Schön. Im Schnitt 2,6 Prozent aller zum Schulstart untersuchten Kinder hatten 2016/2017 laut Schuleingangsuntersuchung einen sonderpädagogischen Förderbedarf. Schön: „Sie brauchen sprachliche und handlungsorientierte Unterstützung beim Lernen. Eine enge Führung also, weil sie sich die Arbeitsschritte nicht selber erarbeiten können.“

Vorreiter in der Inklusion.

Ein Junge in kariertem Sweatshirt steht im Raum und guckt mit schräg geneigtem Kopf auf seine Mitschüler. Ist er misstrauisch? Susanne Dohle betreut den autistischen Jungen. Gerade versucht sie, ihm Plastikhandschuhe überzuziehen. Erstaunt betrachtet er schließlich seine behandschuhten Finger. Der Junge hat sich in die Ecke des Raums verzogen. Er will allein sein, so sieht es aus. Susanne Dohle redet ihm gut zu, bis er doch beginnt, am Tisch den Teig zu kneten.
 
Mit dem inklusiven Konzept sind die Bremer im Vergleich zu den anderen Bundesländern früh dran. Fast alle Sonderschulen im Land wurden seit der UN-Behindertenrechtskonvention 2009 aufgelöst und die Schülerinnen und Schüler sind in die anderen Schulen und Klassen integriert. „Jedenfalls formal“, wie Klassenlehrer Schön kritisch anmerkt. So weit wie in der Robinsbalje sind offenbar nicht alle Schulen im kleinsten Bundesland.

Inzwischen sind die Eier dran. „Wie schlägt man sie auf?“ Mit dem Messer in der Rechten und dem Ei in der Linken natürlich. Haben wir an das Backpulver gedacht? Und nun mischen und rühren, zuerst mit dem Löffel und dann kneten mit den Händen. Prompt erlernen die Kinder den Unterschied zwischen Wissen und Können: Wie das schmiert! Die Klasse 2 veranstaltet auf den Tischen der Schulbäckerei eine kleine Schweinerei. Und doch: So langsam werden aus den Zutaten in den Schüsseln formbare Teige.

Weiterbildung in den Ferien.

„Ich bin kein Lehrer, ich gebe keine Noten. Ich kümmere mich nur zusammen mit den Kindern um das Thema Gesundheit“, sagt Lavin. „Das macht den Kontakt zu den Kindern einfacher.“ Er ist gelernter Krankenpfleger, hat sich dann aber anders entschieden und studiert. „Nachtdienste, Rufbereitschaften und Wochenenddienste – das konnte ich mir für ein ganzes Arbeitsleben nicht vorstellen“, sagt Lavin. Also ging er nach Bremen, um hier Public Health zu studieren. Nach seinem Master in Gesundheitsförderung und Prävention hat er beim Gesundheitsamt im Projekt „Gesundheitsfachkraft“ angeheuert. Ein Studienabschluss in Public Health und eine Ausbildung zum Gesundheits- und (Kinder-) Krankenpfleger oder zur -pflegerin sind für den Berufsstart als Gesundheitsfachkraft in Bremen ohnedies Voraussetzung. Außerdem durchliefen die GefaS spezielle zusätzliche Qualifikationszeiten.

Mit Beginn des Schuljahres 2018/2019 startete das Modellprojekt „Gesundheitsfachkräfte an Schulen im Land Bremen“. Bis 31. Januar 2021 wurde es im Rahmen des Präventionsgesetzes gemeinsam von der Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz und den gesetzlichen Krankenkassen im Land Bremen finanziert. Danach erfolgte die Finanzierung und Ausweitung des Projektes auf weitere Grundschulen in Bremen durch die Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz. Die Arbeit der Gesundheitsfachkräfte soll dazu beitragen, das Gesundheitswissen und gesundes Verhalten von Grundschulkindern und deren Familien zu stärken, Erkrankungen zu verhindern und/oder Erkrankungen frühzeitig zu erkennen, an den gesundheitsfördernden Rahmenbedingungen der Schule mitzuarbeiten und Netzwerkstrukturen im Stadtteil auf- und auszubauen.

Weitere Informationen: Gesundheitsamt Bremen – Gesundheitsfachkräfte an Schulen

In den Schulferien haben sie denn auch nicht frei, sondern besuchen Weiterbildungen etwa zu Kinderkrankheiten, zum Ernährungsführerschein oder zum Thema Medien. Also steht Lavin – einen Master-Abschluss in der Tasche – in einer orangen Schürze vor der Klasse und erklärt, wie man Teig umrührt. War es das, was er wollte? Ja, sagt er, weil die Stunden mit den Kindern wohl der schönste Teil seiner Arbeit seien. Und nein, weil er sich ebenso für den Rest des breiten Aufgabenspektrums einer Gesundheitsfachkraft interessiere.

Medienkompetenz vermitteln.

In der Tat ist das Spektrum der Möglichkeiten einer GefaS groß. So macht Lavin seit einiger Zeit auch bei der Jungengruppe in der Schule mit. „Zurzeit bauen wir Tischtennisschläger“, berichtet er. Auch Yoga- und Entspannungsübungen kann Lavin auf den Stundenplan setzen, Erste Hilfe und was „112“ am Telefon bedeutet, „wenn was mit Mama und Papa ist“. Oder er öffnet im Rahmen der „Bewegten Pause“ die Box mit Spielen, Bällen, Reifen und Springseilen. Oder er berät Eltern und Lehrer zu gesundheitlichen Themen.

Besonders wichtig ist Lavin, dass „seine Kinder“ eine größere Medienkompetenz im Umgang mit Handy und Tablet erwerben, schon deshalb, weil in den Bremer Grundschulen alle von der ersten Klasse an einen Tablet-Computer mit nach Hause bekommen. Andere GefaS legen Schulgärten an für gesundes Essen oder gründen einen „Müsli-Club“ für Kinder, die ohne Frühstück in die Schule kommen. „Ich selbst habe bei den Eltern der anderen Schule, die ich betreue, je 50 Cent einsammeln lassen und mit dem Geld Obst und Gemüse gekauft“, berichtet Lavin. „Dann stellen wir immer ein paar Äpfel, Bananen und Weintrauben auf den Tisch.“ Einen „stummen Impuls“ nennt man so etwas wohl unter Lehrern. Hinzu kommt Quartiersarbeit im Stadtteil Huchting. „Wir halten Kontakt zu den Ärzten, den Sportvereinen und sind auch mal beim Stadtteilfest dabei. Zum Gesundheitstag arbeiten wir zusammen mit den Gesundheitsfachkräften des Quartiers oder machen zusammen mit dem Landessportbund Bewegungsangebote auf dem Schulhof. Da kommen bis zu 40 Kinder“, sagt Lavin.

Eigene Ideen umsetzen.

Seit Sommer 2021 ist er nun dabei. Anfangs sei es nicht selbstverständlich gewesen, von den Lehrkräften auch wahrgenommen zu werden. Für sie war die Gesundheitsfachkraft in ihrer Schule neu, wenn die GefaS ihnen per Aushang oder E-Mail ihre Themenideen unterbreitete. Sie müssen interessant genug sein, damit die Lehrerinnen und Lehrer bereit sind, einige ihrer Fachstunden an Lavins Unterrichtseinheiten abzutreten. Denn zusätzliche Stunden im Lehrplan gibt es für die GefaS nicht. „Inzwischen werde ich sehr wohl wahrgenommen“, resümiert Lavin. „Wenn ich in einer Klasse eine gute Unterrichtseinheit gemacht habe, dann spricht sich das im Lehrerzimmer schnell herum. Und am nächsten Tag habe ich fünf Anfragen in meinem Postfach.“ Man lerne voneinander, sagt er. Vor allem seine Stunden zum Internet und Medienkonsum sind gefragt. „Ein Riesenthema an der Schule.“
 
Lavin ist beim Gesundheitsamt angestellt, nicht bei der Bildungsbehörde. „Ich muss mich zwar mit den Lehrkräften absprechen, kann aber ansonsten meine ganz eigenen Ideen umsetzen.“ Er hat zwar eine halbe Stelle, aber ein Stundenkontingent muss er nicht erfüllen. Zudem kann die Schulleitung ihn nicht zu Vertretungsstunden heranziehen. Kurz: Wie überall, so ist auch in der Grundschule Robinsbalje die Zusammenarbeit eine Sache des Vertrauens.

Am Schluss bleibt Zeit zum Spielen.

Es wird Zeit. Die Kinder ziehen die Schablonen hervor. Zuerst eine Wurst, sie ergibt acht Brötchen: „Alle gleich groß, bitte“, ruft Lavin und macht langsam vor, wie's geht. Aus den gekneteten Teig-Rollen werden genau acht Stücke geschnitten. Sie werden zuerst gerollt und gerollt und gerollt, bis sie aussehen wie ein kleiner Ball. Dann werden sie auf ein Blech gelegt und ab in den Ofen. „In zehn Minuten sind die Brötchen fertig“, ruft Lavin. „Waaaas? So lange?!“ Langsam schwinden Konzentration und Geduld. Arin kommt zu ihrem Lehrer Christian Schön und deutet fragend auf ihre teigverklebten Hände. Bäckerpech? „Nein, du kannst deine Finger mit dem Messerrücken abkratzen“, sagt Schön. Susanne Dohle schabt mit einem Löffel eine Schüssel aus. „Guck mal, hier ist noch ein gutes halben Brötchen drin“, sagt sie halb zu sich und halb zur Klasse. Eine Gruppe von Kindern ist schon fertig mit der Bäckerei und beginnt zu singen. In der anderen Ecke spielen sie „Zug“: Sch, sch, sch, pff, pfff, links und links und links und rum! „Das Tolle ist, wenn die Kinder auch nach dem Ende der Arbeit in Kontakt bleiben, reden und spielen oder Witze erzählen und nicht anfangen Quatsch zu machen“, sagt Lehrer Schön.

Rechnen beim Verkauf.

Nun werden die Brötchen aus dem Ofen gefischt, warm und duftend mit eifriger Rechnerei auf dem großen Flur vor der Schulküche verkauft. Große Porträtbilder von geschminkten und verkleideten Kindern hängen an den Wänden, eine Winterlandschaft mit fast echtem Schnee auf den winzigen Tannenbäumchen und Hausdächern und eine Modelleisenbahn, die die Modellbahn-AG von Hausmeister Claus Uhlhorn hier aufgestellt hat. „Es gibt jetzt Brötzchen“, krächzt eine Kinderstimme durch die Lautsprecheranlage. Genau – zu 30 Cent das Stück. Sie gehen weg, wie die sprichwörtlichen warmen Semmeln.

Ein Korb voller duftender Brötchen: Die Schüler verkaufen sie in der Pause und üben dabei das Rechnen.

Und doch klappt nicht alles, natürlich nicht. Die Schule an der Robinsbalje ist keine Bildungsidylle. So sollte eigentlich das Brötchen-Backen mit einem Mathematikunterricht über das Geld verknüpft werden, erzählt Schön. „Für alle Kinder eine aufregende Angelegenheit.“ Die Kinder werden ja sozusagen Unternehmer in eigener Sache, sie sollten sich also auskennen mit Euros und Cents. „Aber irgendwie hat das in dieser Kombination leider nicht geklappt“, erzählt der Klassenlehrer.

Warten auf die Früchte des Engagements.

Auch im Bereich der Digitalisierung gebe es Hindernisse, berichtet Lavin. In den letzten Jahren habe sich viel verändert. Die Kinder hätten heutzutage schon früh Zugang zu digitalen Welten. Gerade im Medienunterricht wird deutlich, dass viele Kinder Erfahrungen mit Online-Chats und Gaming haben. „Diese Erfahrungen sind aber nicht nur positiv, da der Umgangston im Internet nicht immer der freundlichste ist. Da braucht man sich also nichts vorzumachen“, sagt Lavin rückblickend. „Wo die Kinder sich untereinander schreiben können, da gibt es auch manchmal Mobbing.“ Auch der Versuch, über das Internet seine Unterrichtsentwürfe zur Verfügung zu stellen, wurde von den Lehrerinnen und Lehrern wenig genutzt. „Aber nicht aus Interesselosigkeit. Sondern weil sie die Entwürfe lieber auf Papier hatten.“
 
Gesundheitsfachkräfte sind in die Entgeltgruppe 9b TV-L eingruppiert, berichtet Claudia Kwirand, die im Bremer Gesundheitsamt sitzt und die Einsätze koordiniert. Das entspricht je nach Erfahrung und Beschäftigungsdauer rund 3.000 bis 4.300 Euro brutto. Nicht gerade üppig für täglich acht Stunden Unterricht, Planung, Quartiersarbeit, Netzwerken und so weiter. Welche Früchte das Engagement trägt, kann Morten Lavin noch nicht absehen. „Aber wenn die Kinder nach dem Medienunterricht zu mir kommen und berichten, dass sie sich mit ihren Eltern auf PC-Nutzungszeiten geeinigt haben, ist das für mich natürlich der Jackpot!“ Die 90 Minuten in der Brötchenbäckerei sind ein schönes Argument für alle, die mit Enttäuschung auf eigene Schulerfahrungen zurückblicken: Es geht auch anders.

Christian Beneker ist freier Journalist in Fischerhude bei Bremen.
Tristan Vankann ist Fotograf in Bremen.
Bildnachweis: Tristan Vankann/Fotoetage, Foto Startseite: iStock.com/Mehmet Hilmi Barcin