Impfstoff-Verteilung

Kooperation statt Egoismus

In Krisensituationen wie der Corona-Pandemie müssen Pharmaunternehmen zur gerechten Verteilung ihrer Produkte beitragen, sagen Dr. Maria Riegler und Anna Burton. Die Wirtschaftsexpertinnen sehen das Management der Firmen in einer Schlüsselrolle.

Covid-19 löste die größte globale Gesundheitskrise

seit dem Zweiten Weltkrieg aus. Für die Pharmaindustrie bestand die Herausforderung nicht nur darin, in kürzester Zeit Covid-Impfstoffe zu entwickeln. Sie musste auch glaubhaft vermitteln, dass ihr Interesse im Schutz der Patientinnen und Patienten liegt und nicht ausschließlich in Profitmaximierung. Gleichzeitig barg die Pandemie die Chance, durch verantwortungsvolles Handeln die Reputation der Branche zu verbessern. Tatsächlich gelang es einigen Unternehmen, in Rekordzeit Impfstoffe zu entwickeln, die vor schweren Verläufen schützen. Der Zugang zu diesen Impfstoffen war und ist jedoch global ungleich verteilt.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) prognostizierte das Problem der Verteilungsgerechtigkeit in Bezug auf Covid-Impfstoffe. Gemeinsam mit Partnerorganisationen gründete sie bereits Anfang 2020 die Initiative „Covax“ (Covid-19 Vaccines Global Access Facility), um die rasche Entwicklung, Produktion sowie gerechte Verteilung von Covid-Impfstoffen zu gewährleisten. Anfang 2021 konstatierte der WHO-Generaldirektor einen nur geringen Erfolg der Initiative und forderte Staaten sowie Pharmaunternehmen zu einer konstruktiveren Zusammenarbeit auf.

Reiche Staaten kauften direkt beim Produzenten.

Ursächlich für den begrenzten Erfolg von Covax war vor allem der Egoismus reicher Staaten. Sie kauften große Mengen der Impfstoffe zu hohen Preisen direkt bei den Impfstoffproduzenten und koordinierten den Einkauf nicht über Covax. Dieser Impfstoff-Nationalismus führte nicht nur zu hohen Impfstoffpreisen, sondern auch dazu, dass vulnerable Gruppen in Entwicklungs- und Schwellenländern nicht ausreichend versorgt werden konnten. In dieser Praxis enthüllt sich ein „Collective-Action“-Problem: Im Sinne der Pandemiebekämpfung wären alle Beteiligten bessergestellt, hätten sie global kooperiert.

Pandemien lassen sich nur durch globale Zusammenarbeit wirksam bekämpfen.

Zur Lösung dieses Problems wären sowohl Nationalstaaten als auch Pharmaunternehmen gefordert. Letztere betonen immer wieder, dass sie das Wohl der Patientinnen und Patienten als Priorität betrachten. Diese Selbstverpflichtung enthält auch normative Handlungsimplikationen. Trotz der in einer Marktwirtschaft unerlässlichen Profitorientierung müssen diese Unternehmen in Krisensituationen dazu beitragen, Verteilungsfragen in Bezug auf ihre Produkte zu lösen. Dies sollte auch in ihrem Eigeninteresse liegen, wenn sie beispielsweise Debatten über Patentrechte vermeiden wollen.

Impfstoff-Initiative stärken.

Um das Collective-Action-Problem zu lösen und für zukünftige Pandemien besser gewappnet zu sein, ist eine Stärkung von Covax dringend notwendig. Zunächst muss ein Bewusstsein dafür geschaffen werden, dass sich Pandemien nur durch globale Kooperation wirksam bekämpfen lassen. Dafür müssen sich die relevanten Akteure, insbesondere Nationalstaaten und Pharmaunternehmen, gemeinsam auf wirksame Spielregeln einigen, wie beispielsweise einen koordinierten Verkauf und Ankauf von Impfstoffen über Covax.

Diese Regeln müssen hinreichend überwacht und Verstöße sanktioniert werden. Eine Voraussetzung dafür ist, die Finanzierung der Impfstoff-Initiative auf eine solidere Basis zu stellen. Die Finanzierungslücke von Covax wurde im September 2020, also nachdem reiche Länder bereits direkte Vereinbarungen mit Impfstoffproduzenten getroffen hatten, auf 1,3 Milliarden US-Dollar beziffert.

Die Autorinnen verfassten zusammen mit Prof. Dr. Markus Scholz (TU Dresden) und Prof. Dr. N. Craig Smith (INSEAD) die Studie „Public Health and Political Corporate Social Responsibility. Pharmaceutical Company Engagement in COVAX“. Zum Preprint

Zudem muss Covax in struktureller Hinsicht optimiert werden: Allem voran sollte die Initiative zu einem „One-stop shop“ für Pharmaunternehmen werden, damit sich der bürokratische Aufwand reduziert. Dies impliziert, dass Verträge über die Finanzierung von Forschung und Entwicklung, Kaufzusagen über Impfstoffdosen, Impfstofflogistik sowie Haftungsfragen über eine zentrale Stelle abgewickelt werden.
 
Nicht zuletzt wird das verantwortungsvolle Engagement von Managerinnen und Managern benötigt. In einer aktuellen Studie haben wir fördernde und bremsende Faktoren hinsichtlich der Beteiligung pharmazeutischer Unternehmen an Covax analysiert (siehe Webtipp). Die Ergebnisse legen nahe, dass Managerinnen und Manager mitunter erheblichen Einfluss auf die Verhandlungen hatten. Dieser Einfluss sollte zugunsten wirksamer Pandemiebekämpfung ausgeübt werden.

Maria Riegler ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Internationalen Hochschulinstitut Zittau, Technische Universität Dresden.
Anna Burton arbeitet am Österreichischen Wirtschaftsforschungsinstitut.
Bildnachweis: iStock.com/FrankyDeMeyer