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Kommentar

Schutz gegen Heuschrecken?

Private Investoren greifen nach Arztpraxen und Medizinischen Versorgungszentren (MVZ). Doch bei Gegenmaßnahmen des Staates ist Zurückhaltung geboten, meint Jürgen Klöckner.

Bundesgesundheitsminister

Karl Lauterbach will Praxis-Investoren mit „Profitgier“ in die Schranken weisen. Die Idee war kurz vor dem Jahreswechsel in der Welt, eine Regulierung steht noch aus. Mit teils schrillen Worten unterstrich der SPD-Politiker, wie ernst die Lage in seinen Augen offenbar ist. Er sprach von „Gier-Medizin“ und „Heuschrecken“ – unter Beifall von Gewerkschaften, Krankenkassen und einigen Bundesländern. So viel Zuspruch kann sich Lauterbach bei anderen Reformvorhaben – etwa der Krankenhaus- oder Pflegereform – nur erträumen. Das ändert aber nichts daran, dass sein Vorhaben ins Nichts führt.
 
Es stimmt ja, dass es bei Medizinischen Versorgungszentren in den vergangenen Jahren durchaus zu bedenkenswerten Auswüchsen kam. Rosinenpickerei auf besonders profitable Bereiche wie der Augenmedizin gehören dazu, aber auch Fälle von schlechten oder unnötigen Behandlungen, um mehr Gewinn herauszuschlagen. Deswegen ist eine stärkere Regulierung des Bereichs im Ansatz richtig.

Transparenz zu schaffen, ist überfällig.

Richtig ist auch sicherzustellen, dass in einer Region alle Behandlungen angeboten werden und nicht bestimmte Bereiche ausgespart werden, weil sie sich nicht lohnen. Und längst überfällig ist es, mehr Transparenz auf dem Markt zu schaffen. Genaue und verlässliche Zahlen über die Eigentümerstrukturen und die Behandlungsqualität gibt es nämlich nicht. Und schon gar nicht darüber, wie diese beiden Faktoren zusammenhängen. Ohne diese Daten fußt die von Lauterbach beabsichtigte Regulierung von Private-Equity-Investoren auf unbelegten Annahmen.
 
Diese reichen für ein solches Gesetzesvorhaben nicht aus, denn es birgt auch Risiken. Nämlich, dass Kapital in einem unterfinanzierten Bereich noch knapper wird und sich die Zahl der Praxen – insbesondere auf dem Land – noch weiter ausdünnt. Gleichzeitig wäre damit möglicherweise nichts gewonnen, denn Profitgier gibt es – wenn es sie gibt – nicht nur bei Private-Equity -Investoren. Eine andere Organisationsform garantiert noch lange keinen einwandfreien Betrieb eines MVZ. Wenn Private-Equity-Investoren nicht mehr auf den Markt dürfen, dann freuen sich Radiologen oder Klinikketten.

Bei dem Vorhaben drängt sich der Verdacht auf, dass Lauterbach einen Schnellschuss plant. Es zahlt wunderbar auf die von ihm gewählte Strategie der „Entökonomisierung“ des Gesundheitswesens ein. Mehr aber auch nicht.

Jürgen Klöckner ist Korrespondent für Gesundheitspolitik beim Handelsblatt.
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