Insgesamt 30 Gesundheitsregionen haben sich in 38 niedersächsischen Kommunen etabliert. Dabei ist Zusammenarbeit das A und O.
Tagung

Kooperation auf kommunaler Ebene

Angesichts zahlreicher Herausforderungen in der Gesundheitsversorgung ist es von Vorteil, kleinräumig zu planen und zu steuern. Gesundheitsregionen leisten ihren Beitrag dazu, so die Bilanz rund zehn Jahre nach dem Start des Modells in Niedersachsen. Von Änne Töpfer

Gesundheitsregionen und -konferenzen

können dazu beitragen, Ressourcen dort zu bündeln, wo der Versorgungsbedarf entsteht. Dazu benötigen sie Handlungsspielraum, den die Politik mit gesetzlichen Grundlagen schaffen sollte. So lautete ein Fazit auf der 10. Jahrestagung der Gesundheitsregionen Niedersachsen, zu der sich Fachleute auf Einladung der Landesvereinigung für Gesundheit und Akademie für Sozialmedizin Niedersachsen (LVG/AfS) in Hannover trafen. Um den Blick über die Grenzen der Bundesländer hinweg zu weiten, beteiligten sich am diesjährigen Treffen auch Vertreterinnen und Vertreter von Gesundheitsregionen und -konferenzen aus Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen.
 
Insgesamt 30 Gesundheitsregionen haben sich in 38 niedersächsischen Kommunen etabliert. Gefördert werden sie durch das Landessozialministerium, die niedersächsische Ärztekammer und die Kassenärztliche Vereinigung des Landes sowie mehrere Krankenkassen, darunter die AOK Niedersachsen.

Definition fehlt.

Um Herausforderungen, wie beispielsweise den demografischen Wandel und den damit verbundenen Fachkräftemangel zu bewältigen, „brauchen wir mehr Kooperation und neue Konzepte“, sagte Dr. Andreas Philippi, Gesundheitsminister in Niedersachsen. „Da setzen die Gesundheitsregionen an“, so Philippi, der selbst mehrere Jahre an dem Modell in Göttingen mitgearbeitet hat. „Gesundheitsregionen sind zu einer Erfolgsgeschichte geworden“, resümierte der Minister.

Zu den Erfolgsfaktoren von Gesundheitsregionen gehört der Rückhalt in der Lokalpolitik.

Allerdings fehlt bislang eine einheit­liche Definition des in Niedersachsen bereits mit 80 Prozent und in Bayern mit 90 Prozent Flächendeckung eingeführten Konstrukts. Gunnar Geuter und Dr. Till Bleiwinkel vom Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit sowie Lea Oesterle von der LVG/AfS stellten Ergebnisse einer bundesweiten Bestandsaufnahme vor, um „über Handlungs- und Entwicklungspotenziale reden zu können“, so Oesterle. Demnach gibt es in sieben Bundesländern eine Gesundheitsregion oder -konferenz auf Kreis- oder Bezirksebene. In vier Bundesländern, so beispielsweise in Baden-Württemberg, sind sie bereits gesetzlich ver­ankert. In den übrigen Bundesländern fanden die Forschenden „verwandte Strukturen und Gremien“. Zu den Erfolgsfaktoren von Gesundheitsregionen gehören nach dieser Erhebung eine regionale Geschäftsstelle zum Management des Netzwerks, eine dauerhafte Finanzierung von Personal und Sachmitteln sowie der Rückhalt in der Lokalpolitik.

Regionen ertüchtigen.

Gesundheit sei Teil kommunaler Daseinsvorsorge und liege in der Verantwortung der Regionen, unterstrich Dr. Gottfried Roller, Leiter des Landesgesundheitsamtes Baden-Württemberg. Er empfahl, den Regionen mehr zuzutrauen und sie zu ertüchtigen. „Gesundheitsregionen und -konferenzen sind in der Lage, eine Helikopterfunktion zu übernehmen, zu steuern und zu entscheiden.“ Diese Gremien brauchten klare Machtbefugnisse, so Roller. Er sieht darüber hinaus im Pakt für den Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) und dem Personalaufbau in den Gesundheitsämtern „eine historische Chance“ für einen regional differenzierten Wandel in der Gesundheitsversorgung.

Rolf Amelsberg, Kreisrat im Landkreis Gifhorn, erinnerte daran, dass die über den Pakt für den ÖGD finanzierten Stellen bis 2026 befristet seien und forderte eine Entfristung. Dr. Ute Teichert, Leiterin der Abteilung Gesundheitsschutz, Gesundheitssicherheit, Nachhaltigkeit im Bundesgesundheitsministerium, sagte, dass der Aufbau einer regionalen Gesundheitskonferenz unabhängig vom Pakt eine Aufgabe des ÖGD sei. Teichert will „auf Bundesebene darüber reden, wie man Gesundheitsregionen strukturell verankern kann“.

Stellenwert muss noch wachsen.

Mark Barjenbruch, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen, mahnte: „Eine Gesundheitskonferenz darf keine Sabbelbude werden. Sie braucht konkrete Aufgaben und gesetzliche Spielregeln.“
 
Professor Nils Schneider von der Medizinischen Hochschule Hannover riet, „in den Gesundheitsregionen vom Patienten her zu denken“. Zudem wünscht er sich mehr Kooperation der Hochschulen mit den Gesundheitsregionen, um die interprofessionelle Zusammenarbeit zu fördern. „Gesundheitsregionen haben einen hohen Stellenwert, der noch wachsen muss“, so Schneider mit Blick auf die Zukunft.

Änne Töpfer ist verantwortliche Redakteurin der G+G.
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