Leere Krankenhausflure aufgrund von Personalmangel? Das soll sich zügig ändern.
Krankenhaus-Report 2023

Ringen um mehr Klinikpersonal

Bei der geplanten Krankenhausreform geht es der Politik vor allem um die Bezahlbarkeit der stationären Versorgung. Doch auch die Personalsituation erfordert eine Neuordnung der Kliniklandschaft. Das belegt der neue Krankenhaus-Report. Von Thomas Rottschäfer

Handwerker sind nicht zu bekommen,

Busse fallen aus, die Bäckerei schließt schon um 15 Uhr – der Fachkräfte­mangel ist längst im Alltag angekommen. Auch für Kliniken wird das zu­nehmend zum Problem. „Wir haben hier praktisch Vollbeschäftigung“, sagt Gesundheitsökonom Professor Jürgen Wasem von der Universität Duisburg-Essen. Er ist Mitherausgeber des Krankenhaus-Reports, dessen neue Ausgabe sich dem Schwerpunktthema Personal widmet. Zwar sei in den Kliniken neben der Zahl der Ärztinnen und Ärzte auch die der Pflegekräfte zuletzt wieder kontinuierlich gestiegen, so Wasem bei der Vorstellung des Reports. Doch müssten hierzulande im Mittel acht Mediziner und etwa 19 Pflegekräfte rund 1.000 Krankenhausfälle jährlich versorgen. Der internationale Mittelwert habe im Jahr 2019 bei rund zwölf Ärzten und 27 Pflegekräften gelegen. Zudem verschärfe besonders im Bereich der Pflegefach­kräfte der Trend zur Teilzeitarbeit die angespannte Personalsituation.

Demografie verschärft die Lage.

Langfristige Entwicklungen drohen die Situation noch zu verschärfen. So dürfte die demografische Entwicklung zu mehr Inanspruchnahme der Krankenhäuser führen. Grund zur Sorge bieten auch vorläufige Daten des Statistischen Bundesamtes: Die Zahl neuer Ausbildungsverträge in der Pflege ist 2022 um 4.000 (sieben Prozent) gesunken. Dagegen steigen die Ausstiegsraten. Nach 20 Jahren seien nur noch 60 Prozent der Krankenschwestern und Krankenpfleger in ihrem angestammten Beruf tätig, erläuterte Wasem. Bei den Hilfskräften wechsele sogar mehr als die ­Hälfte nach zwei Jahren den Job.

Der Umbau der Krankenhaus-Landschaft ist längst überfällig.

Der Report zeigt auf, wie Kranken­häuser ihre Attraktivität als Arbeitgeber verbessern könnten. Dazu gehören bessere Mög­lichkeiten zur Vereinbarung von Familie und Beruf sowie ein innovativeres Personalmanagement. Der Report befasst sich zudem mit Personalentlastung durch Digitalisierung oder Robotik. Auch thematisiert er Pflegepersonalvorgaben, neue Ansätze zur Vergütung sowie Aspekte der Aus- und Weiterbildung.

Klinikreform kann Personal entlasten.

Aus Sicht des AOK-Bundesverbandes ist die Neugestaltung der Kliniklandschaft auch mit Blick auf die Personalsituation überfällig. Ein „klug geplanter, intelligent gesteuerter und ganz klar qualitätsorientierter Umbau der Strukturen“ diene nicht nur den Patienten, sondern ermögliche es auch, „dass die vorhandenen Personalressourcen sinnvoller als bisher eingesetzt werden“, sagte Vorstandschefin Dr. Carola Reimann.

Neben den Beiträgen zum Thema Personal greift der Krankenhaus-Report 2023 die aktuelle politische Agenda auf. Gleich fünf Mitglieder der Regierungskommission zur Krankenhausreform stellen ihre Vorschläge vor. Die krankenhauspolitische Chronik und umfangreiche Daten zur stationären Versorgung komplettieren das Kompendium.

Jürgen Klauber, Jürgen Wasem, Andreas Beivers, Carina Mostert (Hrsg.): Krankenhaus-Report 2023. Schwerpunkt: Personal. 458 Seiten. 42,79 Euro. Springer, Berlin, Heidelberg. Download

Die Reform könne dazu führen, dass große und personell gut ausgestattete Krankenhäuser entstehen, die auch flexibler auf punktuelle Engpässe reagieren könnten, unterstrich Wasem. Eine deutliche Entlastung der Klinikbeschäftigten verspricht sich der Gesundheitsökonom durch eine Reform der Notfallbehandlung. Hierzulande werde die Hälfte der in einer Kliniknotaufnahme angekommenen Patienten anschließend stationär aufgenommen – erheblich mehr als etwa in Frankreich (22 Prozent) oder in den Niederlanden (32 Prozent). Das liege auch an ökonomischen Fehlanreizen. „Wer bei drei nicht auf den Bäumen ist, liegt bei vier im Bett“, spitzte es Gesundheitsökonom Wasem zu. Bei den „Kurzliegern“ mit weniger als vier Tagen stationärer Behandlung gebe es großes ­Potenzial für vermeidbare Krankenhaustage und Personalentlastung: „Allein die 30 häufigsten opera­tiven Eingriffe mit einem geringen medi­zinischen Schweregrad machen etwa vier Prozent aller Pflegetage im Krankenhaus aus.“

Leiharbeit ist keine Dauerlösung.

Zeit- und Leiharbeit seien geeignet, Belas­tungsspitzen auszugleichen, aber als „problematisches Geschäftsmodell“ keine Dauerlösung, so der Gesundheitsökonom. Und beim Anwerben von ausländischen Fachkräften gebe es auch „ethische Grenzen“: „Wir können nicht andere Länder ausplündern, die das Personal ebenso nötig brauchen.“

Thomas Rottschäfer ist freier Journalist mit dem Schwerpunkt Gesundheitspolitik.
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