Thema des Monats

Landlust am Lebensabend

Auf dem Bauernhof von Familie Pusch im Westerwald leben 22 Seniorinnen und Senioren. Wer kann und will, füttert die Tiere, hilft beim Kochen oder schaut nach den Bienen. Ein ambulanter Dienst stellt die Pflege sicher. Christoph Fuhr (Text) und Jürgen Schulzki (Fotos) berichten über ein Herzensprojekt, das Nachahmer sucht.

Aufgepasst, die Alpaka-Karawane kommt! Jeden Morgen marschiert in der Westerwaldgemeinde Marienrachdorf eine kleine Herde von Alpakas mitten durchs Dorf zur Weide – begleitet von älteren Bewohnern eines Bauernhofs, die für die achtsamen Tiere mit den großen dunklen Augen Verantwortung übernehmen. Alpakas ernähren sich weitestgehend von Gräsern. Sie auf die Wiesen zu führen, gehört zum Arbeitsalltag. Für Bauernhof-Besitzer Guido Pusch ist diese Tatsache alles andere als unbedeutend. „Unser Bauernhof ist kein Streichelzoo“, stellt er klar, „alle Arbeiten mit den Tieren müssen täglich gemacht werden, und die Bewohner hier spüren, dass sie sich einbringen können in die Abläufe, sie werden gebraucht – und das ist kein leeres Gerede.“

Altwerden in Sicherheit und Würde.

Pusch ist Unternehmer mit eigenem Maschinenbaubetrieb und einer Landwirtschaft im Nebenerwerb. Vor Jahren hatte er eine Idee, die inzwischen bundesweit für Aufmerksamkeit sorgt: Pusch gibt pflegebedürftigen älteren Menschen die Chance, in einem naturnahen und sehr speziellen Ambiente alt zu werden – auf einem Pflegebauernhof. Inzwischen ist er Leitfigur einer größer werdenden Bewegung, die das Ziel hat, diese Einrichtungen überall in Deutschland zu etablieren.

Auf die Idee, eine Pflege-WG zu gründen, kam der 50-Jährige, weil seine Großmutter pflegebedürftig wurde, den Hof aber auf keinen Fall verlassen wollte. Mit 30 Hektar war der Betrieb zu klein, um auf Dauer wirtschaftlich eine Perspektive zu haben. Die Familie bewirtschaftet den Bauernhof seit fast 250 Jahren. Pusch zögerte nicht und realisierte seine Umbaupläne. Vor zwölf Jahren zogen die ersten Seniorinnen und Senioren ein. „Unser Bauernhof bietet ein gemeinsames Dach für Menschen, die etwas anderes im Alter suchen“, sagt er, „Geborgenheit, die Kraft der Natur, ein Landleben mit Tieren und vor allem ein Zuhause: Das ist es, was wir hier bieten können.“

Sein Konzept betrachtet er als Fundament für ein möglichst sorgenfreies Altwerden in Sicherheit und Würde. Rund 700.000 Euro hat Pusch nach eigenen Angaben investiert, um den Hof seniorengerecht umzubauen: Dazu gehören barrierefreie Badezimmer, Treppenlifte sowie renovierte Aufenthalts- und Wohnräume.

Tiere bauen Ängste ab.

Auf Puschs Familienbetrieb wohnen derzeit 22 Seniorinnen und Senioren in drei Wohngemeinschaften. Viele, aber nicht alle Bewohner sind pflegebedürftig, manche sind dement. Sie genießen das Leben auf dem Bauernhof – umgeben von Ställen und Weiden, mit Schweinen, Rindern, Gänsen, Katzen, Hühnern und Alpakas.

Puschs Ehefrau Alexandra arbeitete als Sozialversicherungsfachangestellte, ehe sie sich entschied, ihren Mann hauptberuflich zu unterstützen. Seit Langem kann sie beobachten, welche Wirkung die Tiere, insbesondere die Alpakas, bei den älteren Menschen haben: „Sie stärken das Wohlbefinden und Selbstwertgefühl unserer Bewohner“, sagt sie. „Sie bauen Ängste ab und lösen Glücksgefühle aus.“ Auch wenn es nicht verpflichtend ist, helfen viele der Bewohnerinnen und Bewohner regelmäßig bei der Versorgung der Tiere. Sie misten Ställe aus, sammeln die Eier aus dem Hühnerstall oder helfen bei der Heuernte. Es gibt immer etwas zu tun.

Die Welt zu Besuch auf dem Dorf.

Ein sonniger Morgen: Zu den Alpaka-Begleitern auf dem Marsch durchs Dorf gehört an diesem Tag auch Horst Hof, der aus einem Ort in der Nähe von Darmstadt stammt. Er ist 85 Jahre alt und topfit, seine Ehefrau Ingeborg ist an Demenz erkrankt. Deshalb hat er mit Unterstützung seines Sohnes mehrere Optionen kritisch geprüft und sich dann entschieden, mit seiner Frau auf den Bauernhof zu ziehen. „Wir sind Jahrzehnte lang zusammen durch dick und dünn gegangen, jetzt gehen wir auch diesen Weg gemeinsam“, sagt er. Die Hofs wohnen in einem kleinen Appartement, zwei Zimmer, 66 Quadratmeter. Nichts sei wie vorher, sagt Hof, „aber so ist das Leben – es besteht aus Veränderung“. Das Ehepaar erweckte Anfang 2023 Aufmerksamkeit, als ein Fernsehteam des SWR bei ihrem Start ins neue Leben dabei war. Das Ankommen auf dem Bauernhof, der Umzug, die Erwartungen, die Vorfreude, die Unsicherheit, ob es denn womöglich doch Probleme gibt – alles wurde für eine TV-Reportage über das Leben auf dem Bauernhof dokumentiert. „Ich war schon sehr verblüfft“, erinnert sich Hof, „hinterher haben sich bei uns Menschen gemeldet, die wir seit Jahrzehnten aus den Augen verloren hatten.“

Das ist ein Indiz dafür, dass das Projekt wahrgenommen wird. Es erweckt überregional Aufmerksamkeit, auch die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer hat Pusch in einem Video großen Respekt für seine Arbeit ausgesprochen. Mehr als 1.200 Menschen besuchen den Hof jedes Jahr – von Schulklassen bis zu Delegationen von Gesundheitsfachleuten aus Japan und Taiwan. Alle sind neugierig und wollen wissen, was in Marienrachdorf passiert. Das Interesse von Bauern, die ihre Höfe umbauen möchten, sei groß, weiß Pusch, es gebe Anfragen zum Beispiel aus Zypern, Slowenien, Holland und Österreich. Jede Woche melden sich Menschen, die gerne auf dem Bauernhof leben möchten. Sogar aus Namibia bekundeten ehemalige Auswanderer Interesse. Ihr größter Wunsch: zurück aufs Land – und das in der alten Heimat.

Ein neues Zuhause gefunden.

Nach wenigen Monaten zieht Horst Hof mit Blick auf sein neues Leben eine erste Zwischenbilanz: „Es ist hier nicht immer alles Gold, was glänzt“, sagt er. „Aber wo läuft schon alles rund?“ Probleme und Widersprüche habe es auch in seinem alten Leben gegeben, weiß er. Er liebt die unmittelbare Nähe zur Natur, und eines gefällt ihm besonders gut: „Niemand schreibt uns hier vor, was wir zu tun oder zu lassen haben!“ Hofs Ehefrau Ingeborg hatte am Anfang Schwierigkeiten, in ihrer neuen Umgebung Fuß zu fassen. „Ich will wieder nach Hause“, habe sie einige Wochen nach der Ankunft gesagt. „Das hier ist jetzt dein Zuhause“, hat er geantwortet, und er weiß: „Heute fühlt sie sich hier wohl.“

In der Küche ist Ingeborg Hof an diesem Tag bei der Zubereitung des Kartoffelsalats im Einsatz, hoch konzentriert und mit einem Lächeln im Gesicht. Eine große Küche mit breitem Tresen bietet viel Platz für Menschen, die gemeinsam kochen wollen. Im Raum nebenan wird gegessen. Da sitzen sie, die leisen und lauten Bewohner, manche in sich gekehrt, andere dozieren ohne Punkt und Komma, eine ältere Dame, so scheint es zumindest, schläft. Puschs Tochter Samira, die auf dem Hof eine Ausbildung zur Pflegefachfrau macht, sitzt neben Heimbewohner Horst Schürg am Tisch. Mit dem Löffel in der Hand hilft sie ihm beim Essen. Geduld ist gefragt, und der alte Mann weiß das zu schätzen. „Schmeckt‘s?“ fragt sie. „Sehr gut“, antwortet er.

Freiräume individuell gestalten.

Während die einen in der Küche helfen, kümmern sich andere um die Tiere. Bewohner Karl-Heinz Degen ist für die Betreuung der Gänse zuständig, schon frühmorgens hat er sie zum Außengehege gebracht. Eine verantwortungsvolle Aufgabe, kein Tier ist ausgebüxt, er macht einen guten Job. Jetzt sitzt der Senior, der einst zur See gefahren ist, auf einem Stuhl im Hof neben der offenen Stalltür. Minutenlang blickt er schweigend auf einen großen Tisch mit Sonnenschirm. In zufälliger Reihenfolge sind hier Stühle aus Holz und aus anderem Material schräg gegen den Tisch gestellt. Karl-Heinz erhebt sich, spannt den Sonnenschirm auf und stellt die Stühle zurecht, jedoch nur die Holzstühle, die anderen Stühle ignoriert er. Das mag sich Außenstehenden nicht auf den ersten Blick erschließen. Doch WG-Bewohner Degen scheint mit dem Ergebnis zufrieden zu sein. Die Sonne scheint, es riecht nach Stall, er fühlt sich offensichtlich wohl, keiner korrigiert ihn. Jeder Bewohner kann hier seine Freiräume individuell gestalten. Die Menschen folgen dabei ihrer eigenen Dynamik, ihren Gewohnheiten, Ritualen und Eigenarten und genießen ihre Freiheit. Es gibt allerdings ein Fundament, das diese Freiheit erst möglich macht: Das ist soziale Kompetenz, der respektvolle Umgang der WG-Bewohner untereinander.

Pflegeausbildung auf dem Bauernhof.

Wer in die Pflege-Wohngemeinschaft in Marienrachdorf einziehen will, muss vier Verträge abschließen: einen für die Miete, einen für Lebensmittelversorgung, einen für die 24-Stunden-Betreuung und einen für den ambulanten Pflegedienst. Die Bewohner haben nach Angaben von Guido Pusch im Durchschnitt etwa 2.400 Euro pro Monat selbst zu tragen. Für die übrigen Kosten kommt die Pflegeversicherung auf. Die Eigenleistung ist also vergleichbar mit der, die in anderen Pflegeeinrichtungen anfällt.

Green Care steht allgemein für Aktivitäten und Interaktionen zwischen Mensch, Tier und Natur. Je nach Zielgruppe werden gesundheitsfördernde, pädagogische oder soziale Ziele verfolgt. In Deutschland gibt es eine enge Verknüpfung zwischen Green Care und dem Begriff „Soziale Landwirtschaft“. Sie bietet landwirtschaftlichen Betrieben die Möglichkeit, aus gemeinnützigen und gesellschaftlichen Aktivitäten, die mit Landwirtschaft, Hauswirtschaft, Gartenbau und Forst verknüpft sind, einen Einkommensbeitrag zu erwirtschaften. „Soziale Landwirtschaft“ bietet ein breites Feld an Umsetzungsmöglichkeiten, zum Beispiel Wohnen von Seniorinnen und Senioren, Arbeitsplätze für behinderte Menschen, tiergestützte Therapie, Urlaub für pflegende Angehörige oder Wohnen in Gastfamilien.

Weitere Informationen und Beispiele unter:

Aber was denken die Hofbewohner über das Leben in anderen Einrichtungen? „Günter, Du hast doch in einem Pflegeheim gelebt, erzähl mal, wie das war“, sagt Bewohner Reinhold Kahl in der Mittagspause und grinst, denn er weiß offenbar genau, wie sein WG-Freund reagieren wird. Günter Schütz wirkt verärgert: „Geh mir weg mit Pflegeheimen!“, schimpft er und gestikuliert wild mit den Armen in der Luft herum, „nie wieder, da will ich nie wieder hin!“

Wenn es um Heime geht, reagiert Auszubildende Lena Schmidt, die Pflegefachfrau werden will, kaum weniger emotional als Günter Schütz. Ihr Einsatzort ist der Bauernhof, einen Teil ihrer Ausbildung hat sie aber in einem Pflegeheim absolviert. Zu viele Menschen seien dort unter großem Zeitdruck versorgt worden, erinnert sie sich. Auf dem Bauernhof hingegen bleibe genügend Zeit für jeden einzelnen Pflegebedürftigen. „Es gibt hier keinen Stress“, sagt sie. „Das spüren die Menschen, und sie sind dankbar dafür.“

Höfe bei der Umstellung begleiten.

Pusch hat 2019 den ambulanten Pflegedienst „Natürlich GmbH“ gegründet, der spezialisiert ist auf das Konzept des Pflegebauernhofs. Die Pflegearbeit ist hier eingebettet in den Bauernhof-Alltag mit seinem besonderen Betreuungs- und Betätigungsangebot. Der rührige Unternehmer betrat mit der Gründung des Pflegedienstes Neuland. Die Einschätzung der Zulassungsbehörde war wenig ermutigend: „Herr Pusch, Sie werden kein Personal bekommen!“ Da lag die Behörde allerdings voll daneben. „Das Interesse ist groß, wir haben Initiativbewerbungen ohne Ende“, sagt er. 19 Pflegekräfte sind beschäftigt, dazu kommen Auszubildende und junge Menschen, die hier ein Praktikum absolvieren.
 
Inzwischen hat Pusch eine weitere Geschäftsidee entwickelt. Er reist durchs Land und berät Landwirte, die ihn um Hilfe gebeten haben. Sein Kernanliegen: Wie kann es mit Blick auf eine Perspektive als Pflegebauernhof gelingen, einen kleinen bäuerlichen Betrieb zu unterstützen und zu erhalten? „Wir stellen inzwischen 20 Höfen unsere Erfahrungen zur Verfügung und begleiten sie bei der Umstellung und Betriebserweiterung“, sagt Pusch. Durch ein passendes Beratungskonzept und in Kooperation mit anderen Partnern könne auch ein kleiner Hof wieder ein volles Einkommen erzielen und sich so unabhängig machen von Agrar­subventionen und Marktdruck. „Unser Ziel ist, Höfe zukunftsfähig zu machen“, erläutert er und setzt dabei auf den Aufbau eines Netzwerks, das in Zukunft helfen soll, Kosten zu sparen.

Mit den Einnahmen aus den Pflegeplätzen und der Landwirtschaft trage sich das Konzept selbst, ermutigt Pusch die Landwirte. Doch die hohen Investitionskosten seien schwierig zu stemmen, räumt er ein. Die gingen in die Millionen, vor allem wegen teurer Umbaumaßnahmen. „Ich würde mir eine Anschubfinanzierung durch die Politik wünschen“, sagt Pusch.

Befragungen belegen Vorteile des Konzepts.

Immer mehr Bauernhöfe in Deutschland interessierten sich für das Modell. Das Konzept überzeugt und ist in anderen Ländern ohnehin längst populär. Der Epidemiologe Professor Johannes Gräske berichtete in der Fachzeitschrift „Monitor Pflege“ im August 2020 über Ergebnisse von Befragungen in den Niederlanden. Dort ist das Modell Pflegebauernhof bereits weit verbreitet. Diesen in den Jahren 2010, 2017 und 2018 initiierten Studien zufolge bewirkt die Verbindung von alltagsnahen Tätigkeiten und der Pflegeversorgung, dass sich Menschen dem Pflegebauernhof zugehörig und innerhalb der Wohngemeinschaft auch verantwortlich fühlen. Darüber hinaus beschreiben Bewohnerinnen und Bewohner ein höheres Selbstwertgefühl, da sie durch ihre Tätigkeiten etwas zurückgeben und somit keine reinen Pflegeleistungsempfänger sind.
 
Im Vergleich zu traditionellen Tagespflegeeinrichtungen haben die Bewohnerinnen und Bewohner von Bauernhöfen diesen Untersuchungen zufolge einen besseren Appetit und weisen eine höhere Trinkmenge auf. Durch die gemeinsame Zubereitung von Mahlzeiten wird der Appetit angeregt. Dies geschieht vorrangig durch die Ansprache unterschiedlicher Sinne, wie dem Tast-, dem Geruchs- und Geschmackssinn. Sowohl in der Selbst- als auch in der Fremdeinschätzung der Bewohner zeigte sich den Befragungsergebnissen zufolge eine bessere Lebensqualität als in traditionellen Einrichtungen.

Beim Honigabfüllen machen Hofbewohner mit.

„Wer fährt mit zu den Bienen?“, fragt Pusch am Nachmittag. Günter Schütz und Reinhold Kahl sind sofort mit dabei. Seit einiger Zeit gehören mehr als 50 Bienenvölker zur Hofgemeinschaft, eine Vergrößerung ist geplant, inzwischen gibt es den ersten eigenen Honig. „Mehr Nähe zur Natur geht nicht“, ist Pusch überzeugt. „Wir können die Bauernhof-Bewohner einbeziehen in das Bearbeiten des Honigs und Abfüllen der Gläser“, sagt er.

Geplant ist eine regionale Honig-Vermarktung, und produziert wird in einer eigenen Imkerei. Nichts geht bei den Bienen ohne Schutzkleidung. Die beiden Senioren scheinen damit keine Probleme zu haben. Im Gegenteil: Sie tragen die Berufskleidung des Imkers mit Stolz und haben viel gelernt. Der Wachsdeckel auf den Waben wird abgeschabt, die sogenannten Rähmchen mit den Waben kommen in eine Schleuder, so lange, wie der Honig fließt.

Neue Gebäude in Planung.

Pusch hat weitere ehrgeizige Ziele. Als Vorreiter des Konzepts in Deutschland plant er einen neuen Pflegebauernhof am Rande seines Heimatortes. Vorab hat es viele Gespräche mit Dorfbewohnern gegeben. Jetzt ist er sicher, dass sie gegen das aufwändige Projekt nichts mehr einzuwenden haben, zumal der Bau sich gut ins Ortsbild von Marienrachdorf einfügen soll. Der Plan umfasst mehrere Wohngebäude, mit Ställen, einem Hotel mit Wellnessbereich, einer Reithalle und einem Hofladen. Der gesamte Hof soll nach neuesten energetischen Standards gebaut werden, mit viel Holz und begrünten Dächern. Auch eine Photovoltaik- und Geothermie-Anlage ist vorgesehen. Geplant sind darüber hinaus Seminarräume, in denen künftig Fachkräfte ausgebildet werden, die dann auf anderen Pflegebauernhöfen in ganz Deutschland arbeiten könnten. „Es soll ein Vorzeigeprojekt sein“, sagt Pusch, der in das Projekt 20 Millionen Euro investieren will. Marienrachdorf soll bundesweit zur zentralen Anlaufstelle für das Konzept Pflegebauernhof werden.

Bleiben bis zum letzten Atemzug.

Auf der Rückfahrt von den Bienenstöcken erhält er einen Anruf. Ein 80-jähriger Bewohner ist gestorben – nur wenige Tage nach seinem Einzug. Der Mann hat eine ganz besondere Geschichte. Einst hat er im Gemeinderat von Marienrachdorf grünes Licht für Puschs Bauernhofprojekt gegeben. Er war erfolgreicher Manager, verließ seinen Heimatort, dann steckte er sich mit Corona an, erholte sich nicht mehr und wurde schwer krank. „Er wollte gern in sein Heimatdorf zurück und hat uns gefragt, ob wir für ihn einen Platz haben“, sagt Pusch. „Wir wollten ihm diesen Wunsch nicht verwehren.“ In der Regel verbringen die Bewohnerinnen und Bewohner auf dem Pflegebauernhof noch einige Jahre ihrer Lebenszeit. „Auch wenn sich die Gesundheit im Laufe der Zeit verschlechtert, muss niemand gehen“, stellt er klar, „jeder darf bleiben – bis zum letzten Atemzug.“

Christoph Fuhr ist freier Journalist mit Schwerpunkt Gesundheit.
Jürgen Schulzki ist freier Fotograf in Köln.
Bildnachweis: www.fotografie-schulzki.de, Foto Startseite: iStock.com/Antagain