Wege aus einer ordnungspolitischen Sackgasse skizzierten Klinikexperten.
Stationäre Versorgung

Neustart in der Klinikplanung

Wie sich Qualität und Effizienz im Krankenhaus verbessern lassen, diskutierten Fachleute auf dem MDK-Tag in Düsseldorf. Ideen für den Umbau der Krankenhauslandschaft in Nordrhein-Westfalen liefert ein aktuelles Gutachten. Von Thomas Rottschäfer

Reinhard Busse ist ein

wortgewaltiger Gesundheitsökonom. „Wir haben nicht zu wenig Pflegekräfte, wir haben zu viel Patienten im Krankenhaus“, sagt der Professor für Management im Gesundheitswesen an der TU Berlin. Im Hörsaal an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf sorgt das für lautstarkes Grummeln. Beim MDK-Tag 2019, zu dem der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) Nordrhein und der Medizinische Dienst des Spitzenverbandes Bund eingeladen hatten, skizziert Busse die wenige Tage zuvor von Nordrhein-Westfalens Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann vorgestellten Pläne für den Umbau der Kliniklandschaft im bevölkerungsreichsten Bundesland.

Das Gutachten, an dem Busse beteiligt war, empfiehlt eine grundlegende Reform der Klinikplanung: weg von der unzureichenden Planung nach Abteilungen und Bettenzahlen, hin zu einer detaillierten Ausweisung von Leistungsbereichen und Leistungsgruppen, um die sich die Krankenhäuser künftig bewerben sollen. „In NRW gibt es rund 60 Herzinfarkte pro Tag. Dafür stehen 170 Krankenhäuser zur Verfügung. Das kann man so auf alles andere übertragen“, sagt Busse. Nicht nur an der Strukturqualität, sondern auch an der Ergebnisqualität hapere es: „Pro Jahr werden in NRW 12.000 Schlaganfallpatienten in Krankenhäusern ohne Stroke-Unit behandelt, obwohl eine qualifizierte Klinik kaum weiter entfernt erreichbar gewesen wäre.“

Selbstheilung ist ausgeschlossen.

Die Umsetzung der Reformvorschläge wäre im Sinne der AOK Rheinland-Hamburg und der AOK NordWest. „Eine zeitnahe und konsequente Umstrukturierung der Krankenhauslandschaft ist ein bedeutender Eckpfeiler für eine qualitativ hochwertige Patientenversorgung“, sagt Matthias Mohrmann, Mitglied des Vorstands der AOK Rheinland-Hamburg. Beim MDK-Tag in Düsseldorf befasste er sich mit der Frage von Qualität und Effizienz im Krankenhaus. Mohrmann: „Das deutsche Gesundheitssystem ist beim Mitteleinsatz Weltspitze, aber der Gesundheitsnutzen bewegt sich eher im Mittelfeld.“ Das System könne sich unter den derzeitigen gesetzlichen Rahmenbedingungen nicht mehr selbst heilen, diagnostizierte der AOK-Vorstand: „Schon eine unterschiedliche Definition von Effizienz hat bisher verhindert, dass wir gemeinsam Verbesserungen erreichen. Wir befinden uns in einer langjährigen ordnungspolitischen Sackgasse mit starker Tendenz zur aktionistischen Symptomkontrolle.“ Es gebe aber auch Hoffnung: Die geplante Umsetzung einer qualitätsorientierten, detaillierten Krankenhausplanung in NRW entsprechend dem aktuellen wissenschaftlichen Gutachten der TU Berlin werde dazu beitragen, die Existenz leistungsfähiger Krankenhäuser zu sichern und die Versorgungsqualität zu verbessern.

Kodierung verbessern.

Bei der Veranstaltung ging es auch um die Prüfung der Krankenhausrechnungen durch die MDK-Gutachter und die geplanten Gesetzesänderungen. Der Ärztliche Leiter des MDK Nordrhein, Dr. Klaus-Peter Thiele, machte deutlich, dass man sich in fast 95 Prozent der Streitfälle mit den Krankenhäusern einig werde. So falsch könnten die Medizinischen Dienste mit ihrer Arbeit also nicht liegen. Die zentrale Frage aus seiner Sicht: „Wie bekommt man es hin, dass richtig kodiert wird?“

Eine Entschlackung des DRG-Systems sei deshalb auch im Interesse des MDK, betonte der Geschäftsführer des MDK Nordrhein, Andreas Hustadt. Er befürchtet jedoch, dass durch das geplante MDK-Reformgesetz die hohe Konsensbereitschaft der Krankenhäuser bei der Rechnungsprüfung sinkt. Denn dann hänge die Zahl der Prüfungen durch den MDK davon ab, wie viele Falschabrechnungen in einem vorangegangenen Bezugsquartal festgestellt wurden. Hustadt rechnet zudem mit einer drastischen Zunahme von Schlichtungsverfahren, wenn künftig jedes Krankenhaus jeden Einzelfall vorbringen könne. „Gilt es demnächst schon als Goldstandard für korrektes Abrechnen, wenn ein Krankenhaus eine Fehlerquote von höchsten 40 Prozent hat?“, fragte der MDK-Geschäftsführer zudem mit Blick auf die geplante deutliche Absenkung der gesetzlichen Prüfquoten.

Thomas Rottschäfer ist freier Journalist mit dem Schwerpunkt Gesundheitspolitik.
Bildnachweis: iStock/YinYang