Pflege

Heimwechsel erleichtert

Gesetzlich versicherte Pflegebedürftige müssen für ein Heim nur taggenau und nicht monatsweise zahlen. Wechseln sie nach einer Kündigung vorzeitig in eine andere Einrichtung, kann der Heimbetreiber lediglich für den Aufenthalt bis dahin eine Vergütung verlangen. Das entschied der Bundesgerichtshof. Von Anja Mertens

Urteil vom 4. Oktober 2018
– III ZR 292/17 –

Bundesgerichtshof

Pflegebedürftige,

die in ein Heim ziehen, müssen zuvor mit der Einrichtung einen Vertrag abschließen. Dieser regelt die Rechte und Pflichten von Pflegebedürftigen und Pflegeheimen.

Der Heimvertrag bildet die rechtliche Grundlage für die Pflege und den Aufenthalt in der stationären Einrichtung. Er regelt, unter welchen Bedingungen sich der Heimträger verpflichtet, dem Bewohner Wohnraum und Pflege- oder Betreuungsleistungen anzubieten. Der Vertrag soll die Rechte der pflegebedürftigen Bewohner schützen. In der Regel ist er zwischen dem Heimbewohner und dem Betreiber unbefristet. Fasst der Pflegebedürftige den Entschluss, die Einrichtung zu verlassen, kann er den Vertrag bis zum dritten Werktag des laufenden Monats kündigen. Er endet dann zum Monatsende.

Aber bis wann ist der Heimbewohner zahlungspflichtig, wenn er die Einrichtung vor Ablauf der Kündigungsfrist wechselt? Diese Frage lag dem Bundesgerichtshof (BGH) zur Entscheidung vor.

Vorzeitig ausgezogen.

In dem Fall ging es um einen an Multipler Sklerose (MS) erkrankten Mann aus Baden-Württemberg. Der gesetzlich Versicherte war von Dezember 2013 bis 14. Februar 2015 in einem Pflegeheim untergebracht und erhielt Leistungen der sozialen Pflegeversicherung. Der Heim- und Betreuungsvertrag konnte spätestens am dritten Werktag eines Kalendermonats vor Ablauf desselben Monats gekündigt werden.

Als der Mann einen Pflegeplatz in einem auf MS-Patienten spezialisierten Heim bekommen konnte, kündigte er Ende Januar 2015 seinen bestehenden Heimplatz zum 28. Februar 2015. Da in dem neuen Pflegeheim schon zum 14. Februar 2015 ein Platz frei wurde, zog er bereits an diesem Tag vorzeitig um. Sein bisheriges Heim stellte ihm – nach Abzug der Leistungen der Pflegekasse für die erste Februarhälfte 2015 – Heimkosten für den gesamten Februar 2015 in Höhe von 1.493 Euro in Rechnung.

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Der Pflegeversicherte zahlte zunächst, forderte aber den Betrag anschließend wieder zurück. Doch das Heim verweigerte die Rückerstattung. Daraufhin klagte er vor dem Amtsgericht. Der für die Pflegekasse geltende Grundsatz der taggenauen Abrechnung gelte auch für ihn. Mit seinem Auszug am 14. Februar 2015 sei seine Zahlungspflicht erloschen. Das Amtsgericht gab ihm Recht. Der Heimbetreiber legte Berufung beim Landgericht ein – ohne Erfolg. Daraufhin legte er Revision beim BGH ein.

Der BGH wies die Revision im Wesentlichen zurück. Die geforderte Rückerstattungssumme von 1.493 Euro sei allerdings wegen zweier Berechnungsfehler um rund 363 Euro auf 1.130 Euro zu senken (360 Euro für den auf den Kläger entfallenden Eigenanteil an den Heimkosten und rund drei Euro für den „Samstagnachmittagskuchen“ am 17. Januar und 14. Februar 2015).  

Heimbewohner einbezogen.

Nach Paragraf 87a Absatz 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch (SGB) XI ende die Zahlungspflicht eines Heimbewohners oder seines Kostenträgers mit dem Tag, an dem er aus dem Heim entlassen wird oder verstirbt, so der BGH. Diese Regelung beträfe nicht nur die Pflegekasse, sondern auch die Vergütungspflicht des Heimbewohners. Es handele sich um eine gegenüber den heimvertraglichen Bestimmungen des Wohn- und Betreuungsvertragsgesetzes (WBVG) vorrangige Regelung zugunsten von Heimbewohnern, die Leistungen der Pflegeversicherung beziehen.

Die Systematik dieser Sozialrechtsnorm sowie die Entstehungsgeschichte und der daraus ableitbare Zweck des SGB XI sprächen dafür, dass ein „Entlassen“ auch dann vorliegt, wenn der Pflegebedürftige nach einer Kündigung des Heimvertrags vor Ablauf der Kündigungsfrist auszieht.

Nur das aufnehmende Heim darf für den Umzugstag ein Entgelt berechnen, so die obersten Zivilrichter.

Dass der Begriff „Entlassen“ auch den Umzug beziehungsweise die Verlegung des Pflegebedürftigen in ein anderes Heim erfasst, erschließe sich aus Paragraf 87a Absatz 1 Satz 3 SGB XI. Danach bestehe keine Zahlungspflicht des Heimbewohners gegenüber dem bisherigen Pflegeheim für den Umzugs- oder Verlegungstag, und ein Heimentgelt dürfe nur die aufnehmende Pflegeeinrichtung berechnen. Damit bringe das Gesetz zugleich zum Ausdruck, dass für die restlichen Tage des Monats kein Entgelt mehr an das bisherige Pflegeheim zu zahlen ist. Würde man dies anders sehen, wäre das Ergebnis sinn- und gesetzwidrig.

Kosten für Leerstände einkalkuliert.

Ziel dieser Regelung sei es, Heimbewohner (beziehungsweise ihre Erben) sowie die Pflegekassen vor der doppelten Inanspruchnahme für etwaige Leerstände nach Auszug oder Tod zu schützen.

Nach der üblichen Praxis der Heimträger würden die durch Leerstände verursachten Kosten im Rahmen der Auslastungskalkulation sowie durch gesonderte Wagnis- und Risikozuschläge in die Pflegesätze eingerechnet und anschließend anteilig auf die Heimbewohner umgelegt.

Deshalb habe der Gesetzgeber den Zahlungsanspruch eines Einrichtungsträgers bei Auszug oder Versterben des Heimbewohners auf den Tag der Beendigung der tatsächlichen Leistungserbringung begrenzt. Hätte er dies nicht getan, würde die Zeit des Leerstandes zulasten des Heimbewohners doppelt berücksichtigt.

Außerdem, so der BGH weiter, sei aus der Kündigung vom 28. Januar 2015 für den Heimbetreiber erkennbar gewesen, dass der Pflegebedürftige die Einrichtung endgültig verlassen wollte. Das Heim habe nach dessen Auszug keine Leistungen mehr erbracht und sei auch nicht verpflichtet gewesen, den Pflegeplatz freizuhalten.

Anja Mertens ist Rechtsanwältin im Justiziariat des AOK-Bundesverbandes.
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