Einwurf

Impulse für die Ernährungswende

Wer sich gesund ernährt, stärkt den Natur- und Klimaschutz, sagt Olaf Bandt. Der BUND-Vorsitzende sieht den Staat in der Pflicht, die Produzenten und Verbraucher im Hinblick auf mehr Umweltfreundlichkeit zu unterstützen.

Porträt von Olaf Bandt, BUND-Vorsitzender

Es mag auf den ersten Blick

nicht selbstverständlich sein, dass wir uns als BUND um Ernährungsfragen kümmern. Wie wir uns ernähren, hat jedoch nicht nur direkten Einfluss auf unser Wohlergehen und unsere Gesundheit, sondern auch auf unsere Umwelt. Für unsere Nahrung greifen wir Menschen aktiv in die Landschaft und Natur ein. Landwirtinnen und Landwirte nutzen Ackerfläche, um Getreide für Brot zu produzieren. Tiere brauchen Futter, damit wir am Ende Milch, Eier oder Fleisch essen können. Der Anbau von Gemüse und Obst braucht neben viel Arbeit auch Fläche. Daraus entsteht einerseits seit langer Zeit unsere Kulturlandschaft. Streuobstwiesen und von Hecken gesäumte Ackerflächen sind Beispiele, die inzwischen sogar als besondere Biotope geschützt sind.

Die andere Seite: Trockengelegte und stetig entwässerte Moorflächen, auf denen Milchkühe weiden oder Kartoffeln wachsen. Hohe Ernteerträge auf Kosten von Bienen, Blütenpracht und Artenvielfalt. Denn Weizen, Kartoffeln und andere Pflanzen werden oftmals unter Einsatz von Pestiziden angebaut. So wachsen sie frei von Beikräutern, was wiederum Insekten fernhält. In vielen Regionen kostet es die Trinkwasserversorger immer mehr Geld, um Schadstoffe, die über Gülle aus der Tierhaltung in unserem Trinkwasser landen, herauszufiltern.

Wir brauchen eine Ernährungswende, um unsere Lebensgrundlagen zu schützen.

Mögliche Alternativen sehen wir in einer Landwirtschaft, die Pestizide als letztes Mittel einsetzt und damit die Gesamtmenge massiv reduziert oder ganz darauf verzichtet. Oder in Landwirtinnen und -wirten, die weniger Tiere mit mehr Platz oder draußen halten und vor Ort erzeugtes Futter füttern. Zu deren Förderung und zum Ausbau des Ökolandbaus hat sich auch die jetzige Bundesregierung bekannt. Ist also alles geregelt? Nein, da dürfen wir uns nichts vormachen. Um eine umwelt-, klima- und naturschutzfreundliche Landwirtschaft umzusetzen, bedarf es einer Veränderung unserer Ernährungsweise. Unsere Ernährung basiert auf zu vielen tierischen Lebensmitteln wie Fleisch- oder Milchprodukten. Diese brauchen für die Erzeugung derselben Menge an Kalorien und Eiweiß im Vergleich zu pflanzlicher Ernährung viel mehr Fläche und andere Ressourcen wie Wasser. Gleichzeitig sind die Erträge einer Landwirtschaft, die umweltfreundlicher und biodiversitätsgerechter ist, vermutlich auf kurze Sicht geringer. Auf lange Sicht jedoch zerstört die heutige Hochertragslandwirtschaft die eigenen Grundlagen, wie Böden und funktionierende Ökosysteme. Es ist daher notwendig, dass wir mehr Getreide und Gemüse und weniger Fleisch essen.

Doch Kaufentscheidungen einzelner Personen können nicht der Hauptimpuls für eine Wende hin zu mehr umweltfreundlicher Ernährung und Landwirtschaft sein. Bäuerinnen und Bauern können nicht zum gleichen Preis umweltfreundlich produzieren. Sie müssen in Zukunft höhere Preise für ihre Produkte verlangen und vom Staat im Wandel hin zu einer Landwirtschaft mit weniger Pestiziden, weniger Dünger und weniger Tieren finanziell unterstützt werden.

Gleichzeitig betrifft Armut einen immer größeren Teil unserer Bevölkerung. Gerade erst hat der wissenschaftliche Beirat des Landwirtschaftsministeriums gemeldet, dass etwa drei Millionen Menschen in Deutschland von Ernährungsarmut betroffen sind. Diese Menschen können sich nicht oder nur teilweise gesund ernähren. Sie können eine Transformation unseres Ernährungssystems nur aktiv mitgestalten, wenn diese sozialpolitisch flankiert wird. Es braucht eine deutliche Erhöhung von Sozialleistungen wie dem Bürgergeld. Keine Schuldenbremse sollte uns daran hindern, Gemeinschaftseinrichtungen wie Kitas, Schulen und Universitäten auf eine gesundheitsfördernde und nachhaltige Ernährung auszurichten. Wie bei der Energiewende brauchen wir eine Ernährungswende, um unsere Böden, bestäubende Insekten und unser Grundwasser – kurzum unsere Lebensgrundlagen – für die Zukunft zu schützen. Hierfür setzt sich der BUND ein.

Olaf Bandt ist seit Ende 2019 Vorsitzender der Organisation Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e. V. (BUND).
Bildnachweis: BUND