Einwurf

Bei Demenz am Ball bleiben

Wie die Demenzdiagnose eines Familienmitglieds das Zusammenleben beeinflusst, hat Martina Voss-Tecklenburg, Trainerin der Frauenfußball-Nationalmannschaft, selbst erfahren. Sie setzt sich für eine bessere Aufklärung über die Krankheit ein.

Porträt von Martina Voss-Tecklenburg, Trainerin der Frauenfußball-Nationalmannschaft

Ich kenne die Auswirkung

von Demenz aus eigener Erfahrung in der Familie. Meine Großmutter war an Demenz erkrankt und ihr Zustand über lange Jahre sehr belastend. Es war für meine Oma kein Leben mehr. Eine Demenz verändert die Menschen. Die Krankheit kann dazu führen, dass sie ihre Umwelt nicht mehr wahrnehmen oder ihre Angehörigen nicht mehr erkennen. Die familiäre Belastung, die sich daraus ergibt, kann ich sehr gut nachvollziehen. Ich habe großen Respekt vor den enormen Leistungen, die Angehörige für die Versorgung ihrer Lieben tagtäglich erbringen.

Es geht nicht nur um die Menschen selbst, die erkrankt sind, sondern vor allen Dingen auch um die Betreuung der Angehörigen. Denn für viele ist Demenz nach wie vor ein schwieriges Thema. Auch deshalb bin ich seit 2019 Demenzbotschafterin der Bundesregierung und arbeite hier mit dem Gesundheits- und Familienministerium eng zusammen.

In einer älter werdenden Gesellschaft wird das Thema Demenz immer wichtiger. Aktuell sind 1,6 Millionen Menschen in Deutschland an Demenz erkrankt. 2050 könnten es Schätzungen zufolge bis zu 2,5 Millionen sein. Um Deutschland demenzfreundlich zu gestalten, hat die Bundesregierung Mitte 2020 die Nationale Demenzstrategie beschlossen.

Hier wurden in vier Handlungsfeldern unter der Beteiligung von mehr als 70 Akteuren aus Politik, Gesellschaft und Wissenschaft über 160 Maßnahmen vereinbart. Die Strategie rückt unter anderem die Angehörigen von Menschen mit Demenz in den Vordergrund. Denn ein Großteil der Menschen mit Demenz wird von ihren Familienmitgliedern gepflegt. Deshalb sind die im Rahmen der Strategie beschlossenen Maßnahmen, wie der Ausbau der Rehabilitationsangebote für Angehörige oder die Verbesserung der Beratungs- und Schulungsangebote für sie, ein wichtiger Schritt. All das soll dazu führen, dass pflegende Angehörige diese herausfordernde Zeit mit tatkräftiger Unterstützung meistern können.

Frühes Wissen kann den Verlauf verzögern und das Leben mit Demenz vereinfachen.

Viele ältere Menschen, die bei sich selbst Anzeichen einer Demenz wahrnehmen, scheuen sich vor einer Diagnose. Dabei kann frühes Wissen um die Krankheit deren Verlauf verzögern und das Leben mit der Krankheit vereinfachen. Mithilfe von Physiotherapie tägliche Routinen beizubehalten oder rechtzeitig digitale Hilfssysteme zu nutzen, sind zwei Beispiele. Die Forschung im Bereich Demenz wird kontinuierlich ausgeweitet. Verschiedene Akteure der Nationalen Demenzstrategie beteiligen sich an Studien. Neben Prävention und Therapie steht auch eine optimierte Versorgung im Fokus der Forschung.

Entscheidend ist, dass unsere Gesellschaft für Menschen mit Demenz zusammenrückt und sich dem Thema stellt. Wir müssen mehr über Demenz sprechen, ob in der Schule, im Beruf oder in der Freizeit. Auf welche Anzeichen einer Demenz kann ich bei Menschen in meiner Umgebung, meinem Freundeskreis und in der Familie achten? Wann sollte ich eine Ärztin oder einen Arzt hinzuziehen? Welche Therapie- und Pflegemöglichkeiten gibt es? Und wo kann ich als Angehörige oder Angehöriger Beratung, Unterstützung, Hilfe und Aufklärung erhalten?

Auch die Sensibilisierung der Gesellschaft spielt innerhalb der Nationalen Demenzstrategie eine Rolle. Als Bundestrainerin habe ich mit der Frauenfußball-Nationalmannschaft an einem Sensibilisierungskurs der „Demenz Partner“, einer Initiative der Deutschen Alzheimer Gesellschaft, teilgenommen.

Hier wurden uns Grundlagen zur Krankheit, Beispiele für den richtigen Umgang mit Menschen mit Demenz und Beratungsangebote näher gebracht. Demenz-Prävention ist ein wichtiger Baustein, um das Risiko für Demenzerkrankungen zu verringern und die Situation für Menschen mit Demenz zu verbessern. Die Maßnahmen der Nationalen Demenzstrategie zeigen aber, dass in vielen weiteren Bereichen Handlungsbedarf besteht. Als Gesellschaft müssen wir unbedingt am Ball bleiben und möglichst viele Menschen für das Thema Demenz sensibilisieren.

Martina Voss-Tecklenburg ist seit 2018 Bundestrainerin der Frauenfußball-Nationalmannschaft. Seit 2019 ist sie Demenzbotschaf­terin der Bundesregierung.
Bildnachweis: DFB