Thema des Monats

Daten bündeln gegen Corona

Infektionszahlen, Impfgeschehen, Kassen-Abrechnungen: Zur Covid-19-Pandemie gibt es zahlreiche Daten – aber in getrennten Pools. Es ist an der Zeit, die Datentöpfe zu verknüpfen. Das schafft mehr Transparenz und erhöht das Vertrauen der Bevölkerung. Von Helmut Schröder, Uwe Repschläger und Dr. Jochen Walker

Seit März vergangenen Jahres hält die Covid-19-Pandemie Deutschland in Atem. Seit ihrem Beginn sind sehr schnell Datenbestände und darauf basierende Berichtssysteme mit ausgewählten Kennzahlen aufgebaut worden. Da die Zeit drängte, sind dezentrale Datenquellen heran­gezogen und für ein Kennzahleninstrumentarium genutzt worden: Infektionszahlen haben die Teststrategie begleitet. Berichte zu den besorgniserregenden Virusvarianten von Sars-CoV-2 und ihrer Übertragbarkeit werden für die Fallzahlenabschätzung genutzt. Die Auslastung der Intensivbetten gibt einen Hinweis auf eine mögliche Überlastung des Gesundheitssystems. Die Entwicklung der Corona-Impfungen begleitet die Impfstrategie, und Impfungen werden hinsichtlich ihrer Effekte und ihrer Sicherheit überwacht. Im Laufe der Zeit hat sich der Datenaustausch weiterentwickelt:

Wurde beispielsweise zu Beginn der Pandemie noch häufig das Faxgerät genutzt, werden nunmehr die Daten im Rahmen des Deutschen Elektronischen Melde- und Informationssystems für den Infektionsschutz (DEMIS) digital übermittelt. Auch die verschiedenen Kennzahlensysteme wurden in beeindruckend schneller Zeit entwickelt. Gleichwohl gilt es aber auch zu schauen, welche Möglichkeiten es gibt, die geschaffene Informationsbasis weiter zu verbessern und die Nutzungsmöglichkeiten zu erweitern.

Transparenz schafft Vertrauen.

Es scheint geboten, die bestehenden verschiedenen Datentöpfe miteinander zu verknüpfen, um dringend notwendige Antworten auf anstehende Fragen zu geben: Können sich Menschen, die nachweislich mit dem Corona-Virus infiziert waren, nochmals anstecken? Welchen Schutz bieten die eingesetzten Impfstoffe vor einer Covid-19-Infektion oder einem schweren Verlauf mit einer entsprechenden stationären Behandlung? Wie lange hält die schützende Wirkung einer Impfung? Antworten darauf sind unter anderem für die Impfstrategie erforderlich. Denn deren Erfolg hängt auch davon ab, ob die Bevölkerung die Impfangebote nutzt. Für die Beantwortung derartiger Fragen ist die deutsche Datenlandschaft aber heute nicht optimal aufgestellt.

Insbesondere das Vertrauen in die Sicherheit der Impfstoffe spielt nach den Befragungsergebnissen des Covid-19-Impfquoten-Monitorings in Deutschland eine maßgebliche Rolle für die Impfbereitschaft. Auch wenn sich aktuell immerhin zwei Drittel der Bevölkerung in Deutschland impfen lassen würden, lässt sich diese Bereitschaft erhöhen, wenn ein größeres Vertrauen in eine sichere und wirksame Impfung besteht. Wichtig hierbei ist, offene Fragen unter Nutzung der verzahnten bestehenden Datentöpfe beantworten zu können. Unsicherheiten in Politik und Bevölkerung könnten damit reduziert werden.

Über Nutzen und Risiken gründlich aufklären.

Ähnlich schnell wie die Kennzahlensysteme wurden neue Impfstoffe entwickelt und zugelassen. Aktuell werden vier Covid-19-Impfstoffe der Pharmahersteller Biontech/Pfizer (seit 26. Dezember 2020), Moderna (seit 14. Januar 2021), AstraZeneca (seit 8. Februar 2021) und Janssen-Cilag/Johnson und Johnson (seit 26. April 2021) in Deutschland ein­gesetzt. Eine sorgfältige Nachbeobachtung von unerwünschten Ereignissen, die nach der Impfung auftreten, ist eine wesentliche Voraussetzung für das Vertrauen der Bevölkerung in das derzeit laufende Impfprogramm. Um die Impfbereitschaft zu steigern, bedarf es einer gründlichen, wissens- und evidenzbasierten Aufklärung über Nutzen und Risiken. Aus diesem Grund werden bei der Impfung verschiedene Informationen über die geimpfte Person, den eingesetzten Impfstoff und über den Ort der Impfung erhoben. Diese Informationen schaffen zunächst die notwendige Transparenz auf dem Weg zum Schutz von vul­nerablen Bevölkerungsgruppen und zu der angestrebten Herden­immunität.

Um die Impfbereitschaft zu steigern, bedarf es einer gründlichen, wissens- und evidenzbasierten Aufklärung über Nutzen und Risiken.

Während es hierzulande noch keine verpflichtende Angabe der Labore zu den durchgeführten PCR-Tests auf Sars-CoV-2 gibt und somit noch keine Vollerhebung erreicht ist, wurde für die Impfüberwachung das Berichtssystem mit verbindlichen Datenlieferungen für Covid-19-Impfstoffe erweitert. Zwei Bundesinstitute sind mit diesen Aufgaben betraut: Das Robert-Koch-Institut (RKI) erhebt die Inanspruchnahme von Schutzimpfungen und die Impfeffekte (Impfsurveillance), und das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) überwacht die Sicherheit der Impfstoffe (Pharmakovigilanz). Die dafür notwendigen Daten übermitteln die Impfzentren, die mit der Impfung betrauten Arztpraxen und künftig auch die Betriebsärzte an das RKI. Das wiederum leitet dann die Daten an das PEI weiter. Darüber hinaus werden Meldungen über Impfstoff-Nebenwirkungen der Arzneimittelkommissionen der Ärzte, der Apotheker, der pharmazeutischen Hersteller sowie der Gesundheitsämter genutzt. Im Rahmen der aktuell gesetzlich verankerten Impfsurveillance berichtet das RKI basierend auf den Meldedaten der Impfzentren täglich unter anderem darüber, wie viele Menschen eine erste oder bereits eine zweite Impfung erhalten haben, welcher Impfstoff zum Einsatz gekommen und was die Grundlage der Impfpriorisierung ist (Alter, Beruf, Vorerkrankung oder Pflegeheimbewohner).

Diese Beobachtung des Impfgeschehens zeigt, wie viele der in Deutschland zur Verfügung stehenden Impfstoffe bei welchen Personengruppen und in welchen Regionen zum Einsatz kommen. Diese Datenbasis kann auch dabei helfen, Entscheidungen zur Priorisierung spezifischer Gruppen zu treffen oder künftige Impfaktionen in den Regionen zu planen.

Impfstoff-Sicherheit separat erhoben.

Das mit der Überwachung der Sicherheit von Impfstoffen beauftragte PEI kann neben den Meldedaten aus den Impfzentren auf weitere Quellen zurückgreifen. Es wertet unter anderem Meldungen von den Gesundheitsämtern, den Arzneimittelkommissionen der Ärzte und der Apotheker, den pharmazeutischen Herstellern über die Europäische Arzneimittelagentur, von Ärzten sowie Geimpften beziehungsweise deren Angehörigen über aufgetretene Nebenwirkungen nach der Covid-19-Impfung aus. Darüber hinaus befragt es auf freiwilliger Basis Geimpfte zur Verträglichkeit der Impfstoffe mithilfe einer Smartphone-App. Die Befragungen finden jeweils drei bis vier Wochen nach der Impfung statt. Eine erneute Befragungswelle soll sechs und zwölf Monate nach den Impfungen erfolgen. Das Ziel: die Schutzwirkung vor der Covid-19-Erkrankung zu ermitteln.

Grafik: Entwicklung der Bereitschaft zur Covid-19-Impfung

Eine Befragung macht deutlich: In Deutschland will sich die große Mehrheit der Bevölkerung gegen Covid-19 impfen lassen. Allerdings ist der Anteil der Impfwilligen innerhalb eines Jahres leicht von 70 auf 67 Prozent gesunken. Unsicher sind sich 17 Prozent der Befragten.

Quelle: Hamburg Center for Health Economics (2021): Ergebnisse der 6. Befragungswelle in Deutschland vom 2. bis 19. April 2021

Auf dieser Basis werden regelmäßig Berichte erstellt, die darlegen,

  • wie häufig über Verdachtsfälle von Nebenwirkungen oder Impfkomplikationen bei welchen Impfstoffen berichtet wird,
  • wie sich die Betroffenheit zwischen verschiedenen Alters- und Geschlechtsgruppen unterscheidet,
  • welchen Schweregrad die unerwünschten Impfreaktionen haben und
  • wie häufig Todesfälle im Zusammenhang mit einer Impfung auftraten.

Entsprechend berichtete das PEI über unerwünschte Arzneimittelwirkungen beim AstraZeneca-Impfstoff.

Daten getrennt genutzt.

Mit der aufgebauten Impfsurveillance des RKI und der Pharmakovigilanz des PEI gelingt es bisher, die Zahl der Geimpften zu beziffern, Verdachtsfälle von Nebenwirkungen und Impfkomplikationen zu sammeln und die Verträglichkeit der Impfstoffe auf Basis der Selbstauskunft von Geimpften zu bewerten. Dabei können die sukzessiv im Laufe der Pandemie aufgebauten Datenbestände ausschließlich für eine Berichterstattung mit aggregierten Kennzahlen aus den einzelnen Bereichen genutzt werden. Es existieren verschiedene parallel betriebene Kennzahlensysteme, die aktuell weder fallbezogen noch mit anderen existierenden Datensystemen verknüpft sind. Angaben über Infizierte, Geimpfte und unerwünschte Begleit- und gravierende Nebenwirkungen werden in den verschiedenen Data Lakes getrennt voneinander genutzt.

Andere Länder sind weiter.

Doch dies reicht nicht aus, um die politischen Entscheidungsträger bei der Bewältigung der Pandemie mit Daten zu unterstützen – zumal mit den vorhandenen, aber getrennten Datenbeständen gegenwärtig eine Vielzahl von notwendigen Analysen nicht möglich ist. Ein Blick in andere Länder zeigt, dass hierzulande Verbesserungspotenziale bestehen. Zwar nutzen auch andere Staaten wie beispielsweise Großbritannien, Israel und skandinavische Länder ähnliche Datenbestände. Diese sind jedoch verknüpfbar. Entsprechend haben Großbritannien, Israel sowie die skandinavischen Länder zentrale Impfregister aufgebaut. Diese sind mit elektronischen Patientenakten verknüpft und können wichtige Hinweise zur Wirksamkeit der Impfung oder deren unerwünschte Arzneimittelwirkungen geben.

Ein Blick in andere Länder zeigt, dass hierzulande Verbesserungspotenziale bestehen.

Großbritannien hat ein umfassendes Überwachungssystem des Pandemiegeschehens unter Nutzung von Abrechnungsdaten (in Deutschland: GKV-Routinedaten) aus dem Gesundheitswesen aufgebaut. Damit überwacht das Vereinigte Königreich sein Impfprogramm und die Auswirkungen der Impfung auf die Geimpften. So konnte beispielsweise sehr schnell das mit Routinedaten ermittelte Vorerkrankungsprofil der mehr als eine Million Geimpften in Schottland transparent gemacht werden. Im Vergleich zu den seinerzeit 2,2 Millionen Ungeimpften zeigte sich bereits nach einer ersten Impfdosis von AstraZeneca und Biontech ein substanzieller Rückgang der Covid-19-bedingten Krankenhauseinweisungen.

Nebenwirkungen früh erkannt.

Auch in Israel stehen seit Beginn der Pandemie die vollständigen Daten zu PCR-Tests oder des Impfstatus’ in Echtzeit personenbezogen mit den elektronischen Krankenakten der Versicherten auswertbar zur Verfügung. Diese enthalten detaillierte Informationen zur ambulanten und stationären Versorgung sowie zu Covid-19-bedingten Krankenhausaufenthalten und Todesfällen. Israelische Analysen belegen beispielsweise die Wirksamkeit der Impfungen.

In einem Vergleich zwischen einer Gruppe von 600.000 Geimpften und einer Vergleichsgruppe von 600.000 ungeimpften Menschen ist die Schutzwirkung der Impfung empirisch beschrieben: In der Gruppe der Geimpften kommen deutlich weniger Covid-19-Infektionen, weniger schwere Verläufe mit Krankenhausaufenthalt und seltener Todesfälle vor als in der Vergleichsgruppe. Auch erkannte Israel mithilfe seines einheitlichen Datensatzes, dass nach der Impfung mit dem Biontech-Vakzin vereinzelt Herzmuskelentzündungen aufgetreten sind. Ob ein Zusammenhang besteht, untersucht Israel derzeit.

Nutzung der Datenbestände erweitern.

Die Diskussionen um eine auffällige Häufung von Sinus- und Hirnvenenthrombosen bei dem AstraZeneca-Impfstoff unter jüngeren Geimpften zeigt, dass eine umfassendere Impfsurveillance auch in Deutschland aufgebaut werden muss. Da der AstraZeneca-Impfstoff in anderen Ländern eher bei älteren Menschen eingesetzt wurde, konnten hierzulande deren umfassenden Datenbestände zur Beantwortung der Frage nach dem Risiko nicht herangezogen werden. Die notwendige Impfbereitschaft in Deutschland lässt sich aber nur durch das Vertrauen in die Impfstoffe erreichen. Die unerwünschten Arzneimittelwirkungen beim AstraZeneca-Impfstoff haben zu einer großen Verunsicherung geführt, und die Impfbereitschaft gerade hinsichtlich dieses Vakzins hat deutlich gelitten (siehe Grafik „Welchem Vakzin die Bevölkerung besonders vertraut“).

Grafik: Welchem Vakzin die Bevölkerung besonders vertraut

Zahlen des Robert-Koch-Instituts zeigen: Die Bevölkerung vertraut den Impfstoffen nicht gleichermaßen. Großes Vertrauen schenken die Bürgerinnen und Bürger den mRNA-Impfstoffen. Beim Vektor-Impfstoff von AstraZeneca ist es deutlich geringer.

Quelle: Robert-Koch-Institut (2021): Covid-19-Impfquoten-Monitoring in Deutschland, 3. Report (Kurzbericht) mit den Ergebnissen aus dem Erhebungszeitraum vom 18.3.2021 bis 10.4.2021

Losgelöst von AstraZeneca – was geschieht, wenn weitere Impfstoffe in den Verdacht geraten, dass bei bestimmten Bevölkerungsgruppen gravierende Nebenwirkungen auftreten? Weil es hierzulande nicht möglich ist, von jetzt auf gleich ein umfassendes System mit Impfregister und elektronischen Patientenakten aufzubauen, müssen die bereits zur Verfügung stehenden Datenbestände genutzt werden. Zahlreiche Fragestellungen ließen sich damit besser beantworten. So hat auch der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen in seinem aktuellen Gutachten darauf hingewiesen, dass die mit öffentlichen Mitteln finanzierten Datenbestände für das Patientenwohl nutzbar gemacht werden sollten. Die aktuellen rechtlichen, administrativen oder technischen Hürden führten jedoch dazu, dass der Wissenschafts- und Innovationsstandort Deutschland im internationalen Wettbewerb erheblich geschwächt werde (siehe „Lese- und Webtipps“).

Routinedaten der Kassen nutzen.

Eine ergänzte Impfsurveillance im Sinne internationaler Vorbilder ließe sich auch in Deutschland aufwandsarm umsetzen. Hierzu müssten die Daten der an Covid-19 Erkrankten sowie der Geimpften für Routinedaten-Analysen der gesetzlichen Krankenkassen nutzbar gemacht werden. Dass die GKV-Abrechnungsdaten in vielfacher Weise nutzbar sind, hat sich bereits während der Pandemie gezeigt. Mithilfe dieser Daten ließ sich beispielsweise frühzeitig ermitteln und laufend beobachten, dass

  • bei mehr als einem Viertel der 83 Millionen Einwohner mindestens eine Vorerkrankung vorliegt, die mit einem erhöhten Risiko für schwere Covid-19-Verläufe einhergeht,
  • spezifische Vorerkrankungen bei Covid-19-Erkrankten besonders häufig mit einem schweren Verlauf verbunden waren,
  • unter den stationär behandelten Covid-19-Patienten eine hohe Beatmungsquote und hohe Sterblichkeitsrate gegeben ist,
  • sich bestimmte Berufsgruppen, etwa in der Kindererziehung, und Gesundheitsberufe deutlich häufiger infizieren als andere Berufsgruppen,
  • pandemiebegleitend die Fallzahlen bei akuten, im Krankenhaus behandelten Notfällen wie Herzinfarkte und Schlaganfälle deutlich zurückgegangen sind,
  • Frauen im Alter von 18 bis 59 Jahren bereits zwischen 2015 und 2019 häufiger von Sinusvenenthrombosen betroffen waren als die gleichaltrigen Männer.

Datenverknüpfung schafft Transparenz.

Wie bereits erwähnt, veröffentlicht das RKI die von den Gesundheitsämtern mitgeteilten Covid-19-Infektionen. Wer unter den 83 Millionen Einwohnern Deutschlands wo und mit welchem Wirkstoff geimpft wird, ermittelt das RKI. Die Verdachtsfälle von Nebenwirkungen unter den 23 Millionen bis Ende April 2021 geimpften Menschen sammelt das PEI. Und den gesetzlichen Krankenkassen liegen die Abrechnungsdaten ihrer 73,4 Millionen Versicherten vor. Würden all diese Datenbestände miteinander verknüpft, ließe sich zumindest für 73,4 Mil­lionen Menschen in Deutschland in anonymisierter Form lückenlos Transparenz über das Pandemiegeschehen schaffen. Eine Verknüpfung der verschiedenen Datensätze kann Aufschluss geben über

  • die Häufigkeit von Reinfektionen nach einer durchgemachten Infektion im Vergleich zu jenen, die nicht erkrankt waren,
  • die Häufigkeit von Infektionen nach einer ersten und zweiten Impfung, also ein Vergleich der Geimpften, die nach der ersten oder zweiten Impfung trotzdem erkranken, zu den Nicht-Geimpften,
  • die Häufigkeit eines schweren Covid-19-Verlaufs, der trotz Impfung eine stationäre Behandlung erforderlich macht, im Vergleich zu den Nicht-Geimpften,
  • die Häufigkeit von Todesfällen bei Covid-19-Behandlung im Krankenhaus – trotz Impfung – im Vergleich zu den Nicht-Geimpften,
  • den Anteil der Geimpften, die nach einer Impfung wegen spezifischer Erkrankungen ärztlich behandelt werden, im Vergleich zu den Nicht-Geimpften und
  • die Unterschiede hinsichtlich der Sicherheit und Wirksamkeit der verschiedenen Impfstoffe (protektive Wirkung, Krankenhausbehandlung, Versterben oder Nebenwirkungen).

Mittel gegen Fake News.

Zudem ließe sich mithilfe der gebündelten Daten schnell auf bewusst gestreute falsche Informationen reagieren. Aber auch die Fragen nach einer Lockerung der Covid-19-Maßnahmen für Geimpfte und Genesene könnten damit beantwortet werden. Zudem könnte die Entscheidungsfindung der Eltern bei einem Covid-19-Impfangebot für ihre Kinder und Jugendlichen – immerhin mehr als 16 Prozent der Einwohner in Deutschland – erleichtert werden, wenn die hier beschriebene umfassendere Impfsurveillance zur Verfügung stünde.

Letztlich ließen sich diese Daten auch für eine künftig anstehende Impfauffrischung nutzen. Wenn einmal die noch zu bestimmende Frist für eine Impfauffrischung bekannt ist, müssen sich nach heutigem Stand Geimpfte, aber auch Erkrankte mit einer Sars-CoV-2-Infektion selbstständig melden. Die gesetzlichen Krankenkassen könnten jedoch mit einem Einladungswesen auch diese Aufgabe für ihre Versicherten übernehmen. Dafür müssten die vorhandenen Datenbestände mit der Krankenversichertennummer als einheitliches Identifikationsmerkmal versehen werden.

Konkret müsste die Politik in einer angepassten Coronavirus-Impfverordnung festlegen, dass Test- und Impfzentren, Arzt­praxen und Betriebsärzte neben den bisher erfassten Informa­tionen über die Geimpften auch die Krankenversichertennummer der Getesteten und Geimpften dokumentieren. Darüber hinaus müssten die gesammelten Daten, die bisher nur das RKI und das PEI erhalten, auch den gesetzlichen Krankenkassen für die Impfsurveillance und Pharmakovigilanz zur Verfügung gestellt werden. Für die bereits vorhandenen Informationen beispielsweise aus den Impfzentren könnte dies über eine Nacherfassung der Krankenversicherungsnummern beim nächsten Arztbesuch erfolgen.

Verknüpfung geht ohne viel Aufwand.

Es wäre an der Zeit, dass auch in Deutschland nach 15 Monaten Pandemie und den ersten Impferfolgen rasch ein mit geringen Aufwänden rea­lisierbares umfassenderes Covid-19- und Impfüberwachungssystem aufgebaut wird. Andere Länder praktizieren längst eine personenbeziehbare Datenhaltung für Menschen, die auf Covid-19 getestet und bereits geimpft sind. Dies lässt sich auch hierzulande aufwandsarm bewerkstelligen – natürlich nach datenschutzrechtlichen Maßgaben. Die Krankenkassen könnten wichtige Informationen zur Pandemiebewältigung und zur Impfsurveillance zur Verfügung stellen. Würden die großen Datenbestände, die derzeit noch dezentral in den Data Lakes sowie bei den Krankenkassen und deren Forschungsinstituten vorliegen, zusammengeführt, ließe sich zuverlässig und schnell ein vollständigeres Bild des Pandemiegeschehens ableiten. Darüber hinaus stünden dann die verknüpften Daten – natürlich datenschutzkonform – künftig über das Forschungs­datenzentrum auch der Versorgungsforschung zur Verfügung, die daraus wichtige Hinweise zur Bewältigung von gegebenenfalls weiteren Pandemien ableiten könnte.
 
Eine optimierte Transparenz über die Betroffenheit durch die Pandemie, das Impfgeschehen sowie die positiven, aber auch unbeabsichtigten Wirkungen dürfte die Impfbereitschaft weiter erhöhen. Vertrauen in die Sicherheit der Impfung steigert die Impfbereitschaft. Mit den aktuell täglich veröffentlichten Berichten über die erfolgten Impfungen gelingt dies aber nur schwer. Angesichts der Verantwortung Deutschlands, das mit zu der Gruppe jener Länder gehört, die zusammen nur 16 Prozent der Weltbevölkerung ausmachen, zugleich aber 70 Prozent der verfügbaren Impfdosen im Jahr 2021 reserviert haben, sollte der Weg der Pandemiebewältigung in digitalen Zeiten mit einem angemessenen Navigationssystem beschritten werden.

Helmut Schröder ist stellvertretender Geschäftsführer des Wissenschaft­lichen Instituts der AOK (WIdO).
Uwe Repschläger leitet das Institut für Gesundheitssystemforschung der BARMER (bifg).
Jochen Walker ist Geschäftsführer des Instituts für angewandte Gesundheitsforschung Berlin (InGef).
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