Einwurf

Smarte Lösungen fürs Land

Ob Tele-Visiten am Computer oder Krankenakten auf dem Handy – die Zukunft ist digital, sagt Julia Klöckner. Die Landwirtschaftsministerin will die medizinische Versorgung auf dem Land sichern und gleichwertige Lebensverhältnisse schaffen.

Einwurf_Porträt_Klöckner, Julia

90 Prozent der Fläche Deutschlands

entfallen auf die ländlichen Räume. Mehr als jeder zweite Deutschen lebt hier, und die Hälfte unserer Wirtschaftsleistungen wird hier erbracht. Viele teils weltweit erfolgreiche Unternehmen sind hier zuhause, stellen Arbeitsplätze zur Verfügung und stärken die Wirtschaft. Trotzdem kommen die Themen der 47 Millionen Frauen, Männer und Kinder auf dem Land in der öffentlichen Debatte häufig zu kurz. In vielen Regionen wandern die jungen Menschen ab. In der Folge schließen Schulen und Geschäfte. Die Immobilien-Verkaufswerte fallen. Es gibt Lücken im Mobilfunk und unzureichende Busverbindungen. Oft fehlen auch Nachfolger in den Arztpraxen – mit entsprechenden Folgen. Vor allem ältere Bürger sind auf eine medizinische Versorgung angewiesen. Eine Studie unseres Thünen-Instituts für Ländliche Räume zeigt, dass Bürgerinnen und Bürger in ländlichen Regionen jedoch vergleichsweise lange Wege in Kauf nehmen müssen, um bestimmte Fachärzte zu erreichen.

Diesen Zustand wollen wir ändern. Probleme auf dem Land und in der Stadt müssen gleichermaßen diskutiert und angepackt werden. Deshalb hat die Bundesregierung die Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“ eingerichtet. Sie hat seit Herbst 2018 in sechs Arbeitsgruppen eine breite Palette an Themen beraten. Im Juli hat das Kabinett Maßnahmen des Bundes beschlossen.

In vielen Regionen wandern die jungen Menschen ab.

Ich halte es für wichtig, die Gesundheitsversorgung in ländlichen und strukturschwachen Gebieten stärker über Sektorengrenzen hinweg zu organisieren. Regionale Aspekte wie Erreichbarkeit, digitale Vernetzung oder die Stärkung ehrenamtlicher Angebote sollen in einem Gesamtzusammenhang betrachtet werden. Eine bedarfsgerechte Gesundheitsversorgung kann es schließlich nur geben, wenn auch Faktoren wie die Verkehrsanbindung, digitale Infrastruktur oder Unterstützung durch ehrenamtliches Engagement berücksichtigt werden. Schon jetzt unterstützten wir über unser „Bundesprogramm Ländliche Entwicklung“ (BULE) Ideen für die Gesundheitsversorgung von morgen. Dazu gehört zum Beispiel ein Netzwerk im ländlich geprägten Ortenaukreis, das den Betreuungsschlüssel der Hebammenhilfe verbessern soll.

Auch das Projekt „TeleMedicon – unsere OhneArztPraxis“ wird über unser Modellvorhaben „Land.Digital“ gefördert. Das Ziel dabei ist, Bewohner einer Region über eine digitale Anlaufstelle telemedizinisch mit Haus- und Fachärzten der Region zu verbinden. Die teilnehmenden Praxen verfügen über spezielle Geräte, die sowohl Video-Sprechstunden als auch eine große Anzahl diagnostischer Verfahren telemedizinisch ermöglichen. Zusätzlich werden die betreffenden Praxisstandorte während der Sprechstunden durch erfahrene medizinische Fachangestellte betreut.

Ein weiteres Projekt, das wir im Rahmen von „Land(auf)Schwung“ fördern, ist die „Krankenakte für die Hosentasche“. Im Landkreis Stendal vernetzt es Patienten und Kliniken: Patienten können digital auf ihre Daten im Krankenhaus zugreifen und tragen ihre Krankenakte damit permanent auf dem Handy mit sich. Vorteile: Formulare können schon vor einem Krankenhausbesuch zu Hause ausgefüllt werden. Und Ärzte erhalten einen besseren Zugriff auf die Krankenhistorie ihrer Patienten.

Auch unser Modellvorhaben „Smarte LandRegionen“ soll den Alltag der Menschen in ländlichen Regionen durch digitale Lösungen erleichtern. Ausgewählte Landkreise entwickeln mit professioneller Unterstützung Apps, die Versorgungslücken schließen sollen. Denkbar wäre zum Beispiel eine App, über die Bürgerinnen und Bürger in ländlichen Regionen gemeinsame Fahrten zu einer weiter entfernten Arztpraxis organisieren können.

Diese Beispiele zeigen, dass wir offen sein müssen für innovative Ideen und digitale Lösungen. So bleibt das Leben auf dem Land attraktiv. So können wir gleichwertige Lebensverhältnisse in Stadt und Land gewährleisten.

Julia Klöckner ist Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft sowie eine von fünf stellvertretenden CDU-Bundesvorsitzenden.
Bildnachweis: Steffen Kugler