Prävention

Debatte: Jugendliche zur Vorsorge motivieren

Mit Babys und Kleinkindern gehen die meisten Eltern regelmäßig zur Vorsorge. Doch die Motivation lässt im Laufe der Jahre nach. Dabei leisten gerade Jugenduntersuchungen einen wichtigen Beitrag zur körperlichen und seelischen Gesundheit, meint Dr. Thomas Fischbach.

Vorsorgeuntersuchungen sind

in den ersten Lebensjahren selbstverständlich und fast jedes Kind nimmt sie wahr. Ob die Entwicklung tatsächlich normal verläuft, sich Fehlentwicklungen anbahnen, die behandelt werden müssen, kann nur der erfahrene Kinder- und Jugendarzt beurteilen. Eltern wissen das meist schon vor der Geburt. Viele suchen sich dann bereits „ihre“ Praxis aus. Bei der Entlassung aus der Geburtsklinik bekommt die Mutter zudem ein gelbes Kinder-Untersuchungsheft ausgehändigt, in dem in den nächsten Jahren alle Untersuchungsergebnisse der Vorsorgen eingetragen werden. Ein grünes Untersuchungsheft enthält zusätzliche Leistungen für U2 bis U9 sowie U10, U11, J1 und J2.

Erinnerungssystem hilft der Vorsorge.

Die meisten Bundesländer haben für die Mehrzahl der frühen Vorsorgeuntersuchungen eine Meldepflicht beziehungsweise ein verbindliches Erinnerungsverfahren eingeführt. Ist tatsächlich eine Vorsorgeuntersuchung versäumt worden, kann sich das Gesundheits- oder Jugendamt durch einen Besuch bei der Familie von der guten Betreuung und Versorgung des Kindes überzeugen. Auch dies hilft, dass Eltern ihre Kinder zu den frühen Vorsorgen bringen.

Im Laufe der Jahre nehmen jedoch immer weniger Eltern die Vorsorgeuntersuchungen in Anspruch. Dies betrifft vor allem die so wichtigen Vorsorgeuntersuchungen U11 und J1. Die Gründe dafür sind vielfältig. Oftmals hat das Kind beziehungsweise der Jugendliche selbst kein Interesse an einer Vorsorge, nach dem Motto: „Ich habe doch nichts!“ Erfreulicherweise sind, auch dank der frühen Vorsorgen und Impfungen, die meisten Kinder und Jugendlichen tatsächlich frei von körperlichen Gebrechen. Die Weltgesundheitsorganisation definiert Gesundheit jedoch als Zustand vollständigen körperlichen, seelischen und sozialen Wohlbefindens.

Frühzeitiges Entdecken verbessert Behandlung.

Die U11 findet zwischen neun und zehn Jahren statt. In diesem Alter treten häufig zum ersten Mal größere Schulschwierigkeiten auf. Bei der U11 geht es auch um mögliche psychische oder soziale Gründe dieser Probleme und darum, wie das Kind am besten gefördert und unterstützt werden kann. Ebenso wichtig sind Mediennutzung und der Umgang mit Suchtmitteln sowie Zahn-, Mund- und Kiefergesundheit. Insgesamt soll die Untersuchung auf einen gesunden Lebensstil mit viel Sport und Bewegung sowie gesunder Ernährung hinweisen. Auch mögliche Fehlentwicklungen sollen rechtzeitig vor der nächsten Entwicklungsphase und dem Übergang in die weiterführende Schule behoben werden.

Bei der J1 entdecken Ärzte oft chronische Erkrankungen und Übergewicht.

Die J1 ist die vorletzte Vorsorgeuntersuchung beim Kinder- und Jugendarzt und sollte zwischen zwölf und 14 Jahren stattfinden. Auch hier geht es um körperliche und seelische Gesundheit. Der Arzt überprüft Größe, Gewicht, Hautzustand, Impfstatus, Blut und Harn sowie einzelne Organe, das Skelettsystem, die Sinnesorgane und den Status der Pubertät. Bei der J1 entdecken wir oft Fehlhaltungen aufgrund von Wachstumsschüben. Ebenfalls stellen wir häufig chronische Erkrankungen, vielfach Übergewicht und manchmal auch Magersucht fest. Um diese Erkrankungen effizient behandeln zu können, hilft es, sie frühzeitig zu entdecken.

Chance für HPV-Impfung nutzen.

Der große Vorteil beider Vorsorgeuntersuchungen ist aus Sicht von Kinder- und Jugendärzten auch die frühzeitige Krebsvorsorge. Bei der U11 beziehungsweise spätestens bei der J1 impfen wir gegen Humane Papillomviren (HPV), sexuell übertragbare Erreger von Krebs. Diese Impfung schützt wirksam vor den gefährlichsten HPV-Typen und senkt damit das Risiko für Gebärmutterhalskrebs, Krebs an After, Penis und im Mund- und Rachenbereich. Der frühe Zeitpunkt der Impfung im Rahmen der Vorsorgeuntersuchung U11 und J1 erhöht ihre Schutzwirkung. Jedes Kind sollte diesen Schutz bekommen. Die Kosten der J1 werden von allen Krankenkassen übernommen. Zum Glück übernehmen viele Krankenkassen auch die Kosten der U11.

Gleichzeitig müssen wir aber auch bessere Wege finden, die Eltern und vor allem die Patienten selbst vom Sinn der Vorsorge-Check-ups zu überzeugen. Kinder- und Jugendärzte sind Experten für Jugendgesundheit und viele Kollegen kommunizieren diese Kompetenz auch aktiv. Sie weisen auf Vorsorgen hin, erklären Inhalte und richten extra Jugendsprechstunden ein. So müssen Jugendliche nicht zwischen Scharen von Babys und Kleinkindern im Wartezimmer sitzen. Dies hilft, die Teilnahme an den Vorsorgen zu erhöhen.

Thomas Fischbach ist Kinder- und Jugendarzt und Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte BVKJ e.V.
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