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Jetzt mal Toro

Zusatznutzen

Drohnen haben einen klaren Zusatznutzen. Den Bewertungskriterien des Gemeinsamen Bundesausschusses zufolge müssten sie also als Krankenkassenleistung anerkannt werden. Klingt zynisch, ist aber gar nicht so weit weg vom Arbeitsalltag des Gremiums. Rezeptfreie Anmerkungen von Thomas Rottschäfer.

Gesundheit zusammen!

Der Bundestag hat darüber diskutiert, ob die Krankenkassen einen Gentest bezahlen sollen, der mit einer Genauigkeit von 99 Prozent aussagt, ob ein Kind mit Trisomie 21, also mit Down-Syndrom, geboren wird.


ToRo zum Hören:

Mann, bin ich froh, dass ich das nicht entscheiden muss. Entscheiden muss das der Gemeinsame Bundesausschuss, der GBA. Nach drei Jahren Prüfung soll im Spätsommer das Ergebnis vorliegen. Nach den Kriterien des GBA kann es nur darauf hinauslaufen, dass die Kassen künftig zahlen. Denn bei der Bewertung geht es nicht um Ethik. Es geht allein um den Zusatznutzen. Dieser Praena-Test ist ungefährlich – im Unterschied zur Fruchtwasseruntersuchung, die die Kassen bei sogenannten Risikoschwangerschaften bereits bezahlen. „Spiel, Satz und Sieg“ für den Test-Hersteller, der sich ausgerechnet LiveCodexx nennt.

Ich bin jetzt mal richtig unfair:

Moderne Kampfdrohnen ermöglichen gezieltes Töten. Das ist ein echter Zusatznutzen im Vergleich zum herkömmlichen Gemetzel. Kampfdrohnen wären also ganz klar Kassenleistung. Kein Wunder, dass sich GBA-Chef Josef Hecken unbehaglich fühlt. Er selbst hat den Bundestag aufgefordert, Grenzen und Leitlinien für die Entscheidungen seines Gremiums zu definieren.

Nicht direkt vergleichbar,

aber in eine ähnliche Richtung läuft es gerade bei den Krebsmedikamenten. Da gibt es jetzt die vielversprechende CAR-T-Zelltherapie gegen Leukämie, Blutkrebs. Das Pharmaunternehmen Novartis hat im März einen interessanten Vertrag mit einer Gruppe von Betriebskrankenkassen abgeschlossen. Kurzgefasst: Die Kassen bekommen anteilig Geld zurück, wenn der Patient nicht so lange überlebt, wie von Novartis versprochen. Eine Art Sterbegeld für die Kasse sozusagen. Immerhin geht es um Therapiekosten von etwa 380.000 Euro. Eine Beteiligung der Angehörigen ist in dem Erstattungsvertrag nicht vorgesehen.

Die Geld-zurück-Garantie gilt,

bis das gesetzliche Nutzenbewertungsverfahren für Kymriah abgeschlossen ist. Auch dabei geht es um den Zusatznutzen. Bei Krebsmedikamenten ist das entscheidende Kriterium allein die Überlebensdauer. Einen Tag, eine Woche, einen Monat länger leben als mit einem bereits vorhandenen Medikament – das ist für den GBA ein Zusatznutzen – egal wie Betroffene dieses Überleben dann erleben. Schon länger gibt es deshalb die Forderung, dass auch die Lebensqualität eine Rolle spielen müsse. Langer Rede kurzer Sinn: Der GBA braucht dringend ein paar neue Bewertungskriterien. Zum Beispiel irgendwas mit Ethik.

Aber leider kennt ja außerhalb der Parallelwelt Gesundheitswesen kein Schwein den GBA. Vielleicht sollten sich ein paar mehr Menschen dafür interessieren, wer wie darüber entscheidet, was mit unseren Krankenkassenbeiträgen passiert.

Gute Besserung!

Thomas Rottschäfer ist freier Journalist.